Schuld war nur die Badewanne
Runden zu drehen. »Walzer hatten wir ja noch gar nicht!«, jammerte Steffi. »Und überhaupt tritt Hannes mir immer auf die Füße. Ab Schuhgröße 44 sollte Tanzen verboten werden!«
Es half nichts, sie mussten trotzdem ran! Bevor Sven seine Kamera ausgegraben hatte, war die Donau am Schwarzen Meer angekommen und die Musik verstummt. Nur deshalb ist dieser unwiederbringliche Moment nicht festgehalten worden, als sich die beiden Tänzer nicht über die Richtung einigen konnten, erst mit den Köpfen und dann mit der Tür zusammenstießen und zum Schluss beinahe auf dem Fußboden landeten, weil Hannes mit beiden Füßen auf Steffis Schuhen stand.
»Lachen kann jeder«, tadelte Trudchen. »Könnt ihr es denn auch besser machen?« Auffordernd sah sie uns der Reihe nach an. Darauf wollte es dann doch niemand ankommen lassen. Nicki hatte angeblich die falschen Schuhe an und Margit einen zu engen Rock, Sascha konnte nur das tanzen, was nach 1980 modern geworden war, Katja hatte ihren Bänderriss mit Gipsbein gehabt, als im Tanzkurs Walzer dran gewesen war, und Rolf als Tanzpartner ist eine Zumutung. Er kann nur Foxtrott, und nicht mal den richtig.
»Meine Güte, was seid ihr doch alle für lahme Enten!«, sagte Trudchen, als die
Schöne blaue Donau
zum zweiten Mal ertönte und noch immer niemand bereit war, sich öffentlich zu blamieren. »Komm her, Karl, wir zeigen dem jungen Volk mal, wie man Walzer tanzt!«
Vergessen waren die gerade erst wieder zusammengewachsenen Rippen und die lädierte Bandscheibe, vergessen Rheuma und Rückenschmerzen – Karl und Gertrud walzten über das Parkett, dass es eine helle Freude war. Sie hielten sogar durch bis zum Schluss und ließen sich erst nach dem letzten Takt völlig außer Atem, aber triumphierend auf die Stühle sinken. Den Beifall sowie unsere wortreich geäußerte Bewunderung hatten sie sich wirklich verdient. Nach dieser imponierenden Vorführung hatte auch niemand mehr den Mut, es vielleicht doch mal selber zu versuchen.
Schon ein paarmal hatte Hannes verstohlen auf die Uhr gesehen und Steffis Blick gesucht, doch sie hatte es gar nicht bemerkt. Jetzt zupfte er sie am Ärmel. »Wenn wir uns noch umziehen wollen, müssen wir in spätestens einer Viertelstunde weg!«, hörte ich ihn wispern. »Ich glaube, wir sollten allmählich das Ende der Party einläuten.«
»Wie sollen wir das denn machen? Wir können sie doch nicht einfach alle rausschmeißen!«
»Sind für subalterne Aufgaben nicht die Trauzeugen zuständig? Soll sich doch Schorsch darum kümmern.«
Dazu hatte der jedoch keine Zeit, weil er das Brautpaar erst nach Hause und dann zum Bahnhof fahren musste, bevor er den Leihwagen wieder abgeben würde. Mit dem Problem konfrontiert, meinte dieser Gemütsmensch bloß: »Sagt einfach, ihr habt den Raum bloß bis halb vier mieten können, weil ab vier Uhr ein Klassentreffen vom Jahrgang ’ 34 stattfindet. Oder auch ’ 29 , dann sind die alten Damen noch ein bisschen älter und brauchen viel Platz für Hütchen, Täschchen, Regenschirm. Zusammenrücken ginge also nicht. Außerdem wissen wir doch alle, dass ihr flittern wollt, und das tut man in der Regel allein.«
Wer den allgemeinen Aufbruch einläutete, weiß ich nicht mehr, aber er verlief geordnet und dauerte keine zehn Minuten. Offenbar war überall schon vorher abgeklärt worden, wer später den Wagen nach Hause fahren würde, und wie nicht anders zu erwarten, waren es ausnahmslos die Frauen. Rolf besteht in solchen Fällen auch immer auf Arbeitsteilung: Er fährt hin und ich zurück. Zweieinhalb Gläser Sekt innerhalb von vier Stunden auf der Grundlage eines kalorienreichen Essens und sonst bloß Mineralwasser mit Zitronenkernen drin sollte meine Fahrtüchtigkeit eigentlich nicht beeinträchtigt haben. Wir sind ja auch heil nach Hause gekommen!
Die große Abschiedsorgie begann. Küsschen hier und Küsschen da, augenzwinkernd vorgebrachte Anspielungen, flapsige Bemerkungen, Gekicher, Gelächter … milde betrachtet von einem vorbeikommenden Ehepaar. »Guck mal, Paul«, sagte der weibliche Teil, »eine Hochzeit. Wie klug von dem Mädchen, in einem Alter zu heiraten, wo sie noch nicht weiß, was für eine Dummheit sie da macht.«
»Dabei ist sie so eine hübsche Braut«, erwiderte Paul und streifte Nicki, die den eroberten Strauß in der Hand hielt, mit einem wohlwollenden Blick.
Erneutes Gelächter, das erst endete, nachdem die richtige Braut im Wagen saß. Hannes hatte gerade neben ihr Platz genommen, als
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