Schuld war nur die Badewanne
hervorragende Idee gehabt hat, man sollte seinen Namen in die Rinde ritzen!«, sagte Sven, griff nach einem Glas und hätte es vermutlich in einem Zug hinuntergestürzt, wenn ihm Sascha nicht in den Arm gefallen wäre. »Warte wenigstens auf das Brautpaar!«
»Warum? Ich habe doch jetzt schon Durst!«
Auch Ludwig sah nicht gerade glücklich aus. Da hatte er nun so eine schöne Rede vorbereitet, sie größtenteils auswendig gelernt, und jetzt wollte sie keiner hören. Aber den Toast durfte er wenigstens ausbringen! Wir tranken auf das Glück, die Gesundheit und den eventuellen Nachwuchs des Brautpaars, und als Margit auch noch auf das neue Heim anstoßen wollte, fiel Lucky etwas ein. »Du, Hannes, da hat heute früh jemand von der Baugesellschaft angerufen und wollte wissen, wann die Badewanne kommt. Vorher könnten sie nämlich nicht tapezieren.«
»Und warum nicht?«
»Das habe ich auch gefragt«, sagte Lucky grinsend, »aber den Grund wirst du nie erraten!« Er trank einen Schluck und sah uns, die wir interessiert zuhörten, erwartungsvoll an. »Weil es doch so staubt.«
»Was soll stauben?« Auf Hannes’ Stirn bildeten sich schon wieder Falten. »Die Badewanne? Hast du das Handy dabei?«
Lucky deutete auf die Bank, doch bevor Steffi zugreifen konnte, hatte Hannes den Apparat schon in der Hand. »Es dauert nur einen Augenblick, aber ich bin jetzt gerade in der richtigen Stimmung!«
Obwohl er einige Schritte zur Seite ging, hörten wir ihn wenig später mit verdächtig ruhiger Stimme sagen: »Würden Sie mir bitte erklären, weshalb nach Ihrer Ansicht erst meine Badewanne installiert werden muss, bevor die Maler das Schlafzimmer tapezieren können.«
Die Antwort bekamen wir natürlich nicht mit, doch sie kann nicht sehr überzeugend gewesen sein. »Ich habe mir im Laufe meines Lebens schon die idiotischsten Ausreden anhören müssen, aber Ihre übertrifft wirklich alles bisher Dagewesene. Glauben Sie denn, wir tragen die Wanne erst durch die ganze Wohnung? Wenn am Montagabend nicht sämtliche Tapeten an den Wänden kleben, könnte ich möglicherweise etwas laut werden!« Er reichte Lucky den Apparat zurück. »Entschuldigt bitte, aber bei so viel Dummheit in einem einzigen Kopf kriege ich die Krise! Jetzt ist die Badewanne schon wieder schuld, dass die Maler angeblich nicht weiterkommen.«
Nicht nur daran, dachte ich im Stillen.
»Wer will noch was trinken?« Lissy winkte mit einer angebrochenen Flasche. »Die hier muss leer werden.«
»Ich kriege noch ein bisschen!«, sagte Trudchen, ließ ihr Glas nachfüllen und kam zu mir. »Wo wir doch jetzt quasi verwandt sind, können wir auch du zueinander sagen. Ich heiße Gertrud! Prosit!« Unsere Gläser stießen aneinander, ich bekam rechts ein Küsschen und links eins, murmelte meinen Namen und hörte hinter meinem Rücken Hannes flüstern: »Mit Karl musst du aber nicht!«
»Mit dem bin ich auch nicht so plötzlich verwandt geworden!«, flüsterte ich zurück. Rolf ist der Verbrüderung übrigens entgangen; er hatte sich auf die Suche nach einem stillen Örtchen gemacht und sich dabei gründlich verlaufen. Verständlich, wenn man bedenkt, dass es so etwas in Schlössern nicht gegeben hatte – jedenfalls nicht in alten. Und nachträglich eingebaute Toiletten sind selten dort, wo man sie vermuten könnte. Deshalb ist Rolf ja auch auf keinem Hochzeitsbild zu sehen. Er war einfach verschwunden gewesen, und der Fotograf hatte nicht länger warten können, weil das nächste Brautpaar schon auf der Treppe gestanden hatte.
Drei Bilder mit Familie vor der Mauer mit dem Efeu, dann durften wir uns wieder aufknöpfen und zurück unter die Kastanie, während die Hauptpersonen des ganzen Spektakels mit frisch gebundener Fliege und in der Hitze vor sich hinwelkendem Brautstrauß die gewünschten Positionen einnahmen. »Schau mir in die Augen, Kleines«, vor dem Rosenspalier, seelenvoller Blick schräg nach rechts oben, im Hintergrund drei Meter bröckelnde Mauer, Hand in Hand mitten zwischen Gänseblümchen (ein Stück Wäscheleine mit Strampelhöschen war später auch auf den Bildern, wurde jedoch wegretuschiert), eine Aufnahme natürlich vor dem Schlossportal und zum Schluss noch ein Foto im Hochzeitsauto. Zu diesem Zweck musste die Braut allerdings über die Tür hineinklettern, da der Bräutigam die Schlüssel bereits Schorsch ausgehändigt hatte.
An dieser Stelle sei gesagt, dass mir die Einzelheiten zu dieser Fotoserie nur deshalb bekannt sind, weil Sven mit
Weitere Kostenlose Bücher