Schuld war nur die Badewanne
Montag das Telefon klingelte. Steffi war am Apparat. »Sag mal, hast du was davon gewusst?«
Nun ist es sowieso schon eine Zumutung, zu dieser unchristlichen Zeit irgendwo anzurufen, doch dann auch noch nebulöse Fragen zu stellen, ist schlichtweg eine Frechheit. Jahrzehntelang war ich in diesem Haushalt als Erste aufgestanden, um unwillige Kinder aus den Betten zu scheuchen, Schulbrote zu schmieren, Suppenteller mit Cornflakes zu füllen, die vorbeigepladderte Milch wegzuwischen, Turnschuhe, unterschriebene Elternabendeinladungen und verbummeltes Strickzeug vom Handarbeitsunterricht zusammenzusuchen und zwischendurch immer wieder endlose Streitereien zu schlichten. Jetzt konnte ich endlich selber entscheiden, ob ich überhaupt, und wenn ja,
wann
ich aufstehen wollte. Und nun wagte es tatsächlich jemand, mich im Morgengrauen mit unverschämt munterer Stimme zu fragen, ob ich »was davon gewusst« hätte.
»Kannst du nicht erst mal guten Morgen sagen?«
»’Tschuldigung, aber ich bin wie üblich schon seit sechs Uhr auf und habe bereits eine wenig ergiebige Unterhaltung mit unserem Bauleiter hinter mir. Den habe ich übrigens auch aus dem Bett geholt. Aber deshalb rufe ich ja gar nicht an. Ich wollte bloß wissen, wer an dieser netten kleinen Überraschung beteiligt gewesen ist.«
»Woher soll ich das wissen? Ich weiß ja nicht mal, wovon du redest.« Richtig munter war ich noch immer nicht, aber zumindest fiel mir wieder ein, dass ich meine Tochter seit der Hochzeit nicht mehr gesprochen hatte. »War’s schön? Wo seid ihr denn überhaupt gewesen?«
»In Baden-Baden, aber das ist doch jetzt nebensächlich. Ich will wissen, wem wir den arbeitsintensiven Ausklang unseres Flitterwochenendes zu verdanken haben.«
Jetzt endlich wurde mir klar, wovon sie eigentlich redete. »Misstrauisch bin ich schon geworden, als uns Frau Schleitz gefragt hat, ob wir in unserer Wohnung einen Wintergarten hätten«, fuhr Steffi fort, »denn vier Personen mit Gießkannen …«
»Wer ist Frau Schleitz?«, unterbrach ich sie.
»Die wohnt unter uns. Wir haben sie vor dem Haus getroffen, als wir gerade aus dem Taxi gestiegen waren. Jedenfalls meinte sie, wenn vier Leute mit großen Gießkannen anrücken, nur um die Balkonblümchen zu bewässern, dann sei das schon etwas merkwürdig.«
»Und was haben sie wirklich begossen?«
»Nicht be-, sondern vollgegossen!«, schimpfte Steffi, wobei sie das Lachen aber doch nicht ganz unterdrücken konnte. »Angefangen hatte es ja schon vor der Wohnungstür. Da hing nämlich ein Fläschchen mit Baldrian. Daneben ein Zettel, auf dem so was Ähnliches stand wie: ›Einmal kriegen wir euch doch! Nehmt lieber ein paar Tropfen, Ihr werdet sie brauchen!‹ Wir haben dann ganz vorsichtig aufgeschlossen und im Flur Licht gemacht, aber da war alles in Ordnung. Das dicke Ende kam ja auch erst!« Sie holte tief Luft. »Gezählt haben wir sie nicht, aber es müssen insgesamt sechs- bis siebenhundert Pappbecher voll Wasser gewesen sein, die in jedem Zimmer aufgereiht standen. Auch das wäre noch nicht so schlimm gewesen, wenn diese Spaßvögel nicht vorher alle größeren Behälter, in die man Wasser hätte schütten können, auf den Balkon gestellt hätten. Sogar den Mülleimer und die Blumenübertöpfe. Wir mussten uns erst einen Weg zur Balkontür freikippen, um an die Eimer heranzukommen. Kannst du dir das vorstellen? In jeder Hand zwei volle Pappbecher, und dann ab ins Bad zum Waschbecken, der einzigen Möglichkeit, das Wasser loszuwerden!«
»Wie spät war’s denn da?«
»Irgendwo zwischen elf und Mitternacht. Im Bett gelegen haben wir sowieso erst gegen zwei, denn während der ganzen Planscherei ist natürlich einiges danebengegangen. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch festgestellt, dass Hannes nicht nur weiß, wo er Schrubber und Scheuerlappen findet, sondern sogar damit umgehen kann!«
»Und diese Erkenntnis ist dir erst jetzt gekommen? Ihr lebt doch schon seit fast einem Jahr zusammen.«
»Das schon, aber du vergisst unsere Frau Kellermann! Die hat doch Hannes bereits vor dreißig Jahren heimlich die Hosen geflickt, wenn er mal wieder einen Dreiangel reingerissen hatte und seine Mutter das nicht wissen durfte. Frau Kellermann würde nie zulassen, dass ihr Goldjunge so etwas Unmännliches tun müsste wie Fußboden wischen oder Fenster putzen. Und da sie mich durchaus richtig einschätzt und ahnt, dass ich ihn ohne Gewissensbisse zu solch subalternen Arbeiten verdonnern würde, sorgt sie
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