Schuldig wer vergisst
schon gar nicht für italienische Tropfen, doch das reiche Bouquet sagte ihr, dass diese Flasche keine billige Massenware war. Er hatte offenbar keine Ausgaben gescheut.
»Mmm. Der schmeckt.«
»Freut mich, dass du ihn magst.«
Ein Weilchen saßen sie beide schweigend da und tranken in kleinen Schlucken, dann fingen beide zur gleichen Zeit an zu sprechen.
»Also, Callie …«
»Marco, ich …«
Sie lachten, was die ungewohnte Spannung zwischen ihnen ein wenig milderte.
»Okay«, sagte Callie. »Du zuerst.«
»Nein, du.«
»Na ja, ich … ich hab mich nur gefragt, was das alles zu bedeuten hat, weiter nichts. Hat es irgendetwas mit gestern Abend zu tun? Ich meine, du wolltest mir gerade etwas erzählen, als Peter reinplatzte und wir nicht weiterreden konnten.«
»Das hat es zumindest ausgelöst.«
»Hat es etwas mit deiner Familie zu tun?«
»Meine Familie!« Mark seufzte aus tiefstem Herzen. »Esattamente, cara mia.«
Neville hatte im Lauf seines Berufslebens schon eine Menge seltsame Situationen erlebt; doch das, was ihn bei Evans’ Auftrag erwartete, schlug so manches.
Es war vom ersten Moment an offensichtlich, dass der Mann und seine Frau sozusagen nicht nach denselben Noten sangen.
Der Mann, Angus Hamilton, war angespannt und beunruhigt. Seine Art war trotz des starken schottischen Akzents schroff, sein Ton fordernd.
Seine Frau, die er als Jilly vorstellte, war so kalt wie die Eiswürfel in dem Glas, das sie lässig in der Hand hielt.
»Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Inspector?«, fragte sie und hielt ihren Drink hoch. »Gin Tonic? Oder ist das im Dienst verboten?«
»Nein, danke, Mrs Hamilton.«
»Oder lieber einen Kaffee?«
Neville überlegte eine Sekunde und wollte schon Ja sagen, doch als er den Mund aufmachte, kam ihm Angus Hamilton mit einer ungeduldigen Geste zuvor. »Lass gut sein, Jilly, der Inspector hat Wichtigeres im Sinn.«
Zum Beispiel das Sixpack bei mir daheim, dachte Neville sehnsüchtig.
»Meine Tochter«, sagte Angus Hamilton, um sofort zur Sache zu kommen. »Alex. Was gedenken Sie zu tun, um sie zu finden?«
»Nun, Mr Hamilton, zunächst einmal würde ich gerne Ihnen und Ihrer Frau ein paar Fragen stellen. Das wird uns bei unseren … Ermittlungen helfen.«
Angus Hamilton deutete auf das Sofa; Neville interpretierte die Geste als Einladung, Platz zu nehmen. Hamilton ließ sich in dem Sessel gegenüber nieder, wobei er vorgebeugt saß, die Ellbogen auf die Knie stützte und die Hände verschränkte.
Indes Mrs Hamilton es sich recht genüsslich neben Neville auf dem Sofa bequem machte. Das fand er schade, denn – so viel war bereits klar – Mrs Hamilton war eine Augenweide, und er konnte sie nicht sehen, ohne sich dabei auffällig zu ihr umzudrehen. So nahm er damit vorlieb, Angus Hamilton ins Auge zu sehen. »Also«, sagte er. »Wann genau hat Alex die Wohnung verlassen?«
»Ich war nicht da. Das müssen Sie meine Frau fragen.«
Neville drehte sich um und nahm die bezaubernde Jilly Hamilton mit ihrem zarten Lächeln auf ihren rosa glänzenden Lippen ins Visier. »Haben Sie eine ungefähre Ahnung, wann Ihre Tochter rausgegangen ist?«, wiederholte er.
Jetzt verzog Jilly das Gesicht. »Sie ist nicht meine Tochter.«
Aha. Das erklärte einiges. Von allem anderen einmal abgesehen, schien Jilly Hamilton nicht annähernd alt genug, um eine zwölfjährige Tochter zu haben. Er schätzte sie auf nur ein paar Jährchen über zwanzig – wohl näher an zwanzig als fünfundzwanzig, wenn sein geübtes Auge ihn nicht trog.
Und Angus Hamilton? Auch nicht sonderlich alt, obwohl sich sein Haaransatz schon ein wenig lichtete. Anfang bis Mitte dreißig?
Jedenfalls älter als sie. Offensichtlich die zweite Ehefrau.
Das alles ging ihm blitzschnell durch den Kopf, während Angus Hamilton sagte: »Das ist jetzt nicht so wichtig, Jilly. Erzähl dem Inspector einfach nur, was passiert ist. Alles. «
»Meinetwegen.« Sie zuckte die Achseln und hob dabei ihre in Kaschmir gehüllte Brust auf eine Weise, dass Neville Mühe hatte, sich noch auf ihre Aussage zu konzentrieren. »Wir hatten eine … Meinungsverschiedenheit, Sie verstehen? Ich und Alex. Direkt nachdem sie aus der Schule kam. Dann ist sie zum Schmollen in ihr Zimmer gegangen, und ich … na ja, ich habe telefoniert. Nebenan. Ich habe nicht mitbekommen, wie sie rausgegangen ist.«
»Können Sie mir eine ungefähre Zeit angeben, Mrs Hamilton?«
Neville hoffte, sie würde wieder die Achseln zucken, und sie
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