Schuldig wer vergisst
und mir die Leute verschreckt.«
Schmeichelei, dachte Neville müde und kein bisschen in der Stimmung, auch noch gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
»Mr Hamilton, der Vater des Mädchens. Er ist ein wichtiger Mann. Reich.« Evans zwinkerte verschwörerisch. »Er spielt mit dem Vizepräsidenten der Metropolitan Police Golf, verdammt noch mal. Er hat nicht wie gewöhnliche Menschen die 999 gewählt, Stewart. Er hat den Vizepräsidenten angerufen. Zu Hause. Sehen Sie jetzt, weshalb ich Cowley nicht da hinschicken kann?«
Neville kam ein genialer Gedanke. »Wenn es derart wichtig und sensibel ist, Sir, wären vielleicht Sie …«
»Völlig unmöglich«, unterbrach ihn Evans spitz. »Mein Sohn wird an diesem Wochenende getauft. Die Familie meiner Frau kommt in Scharen gelaufen. Heute Abend haben wir einen großen Empfang.«
Aha. Neville hoffte, dass sein Lächeln seine Gedanken nicht verriet – die süße Denise. Die zweite Mrs Evans. Nicht allzu reichlich mit Köpfchen gesegnet, dafür umso üppiger mit anderen Qualitäten. Einstige Sekretärin, jetzt Vorzeigefrau. Mutter des jüngsten Evans-Sprosses.
Armer kleiner Teufel, wenn die Fotos nicht trogen – schon jetzt ganz deutlich mit dem wuchtigen Evans-Kinn geschlagen.
»Ich setze Vertrauen in Sie, Stewart. Und wie Sie sagen, hat es sich wahrscheinlich schon erledigt, bevor Sie eingetroffen sind«, fügte Evans hinzu und schenkte ihm ein Lächeln, das Zuversicht vermitteln sollte. Er klopfte Neville auf die Schulter. »Allerdings werde ich Ihnen meine Privatnummer geben, damit Sie mich auf dem Laufenden halten können.«
Neville kapitulierte.
Trotz ihrer gespielten Gelassenheit Peter gegenüber war Callie wegen des bevorstehenden Abends nervös; sie hatte sich so sorgfältig angezogen wie bei ihrem ersten Rendezvous mit Mark. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde sie zumindest das eine oder andere Familienmitglied kennenlernen, und so wären Jeans nicht angemessen. Nichts, was sie in ihrem Kleiderschrank fand, schien ganz passend, doch irgendwann hatte sie sich für ihre beste schwarze Hose und eine weinrote Samtbluse entschieden, die sie mit einem elegant wirkenden Seidentuch in leuchtenden Farben ergänzte. Ihr Mantel sah ein wenig schäbig aus, wurde ihr im letzten Moment bewusst, doch es war zu kalt, um ohne ihn auszugehen, und so konnte sie einfach nur hoffen, dass es niemand bemerkte. Wenigstens hatte sie ein Paar schicke schwarze Stiefel, die sie anziehen konnte.
Das Weinlokal kannte Callie noch nicht, weil sie nicht sehr oft ins West End kam. Allerdings brauchte sie nicht lange, um es zu finden. Mark wartete vor dem Eingang auf sie.
» Cara mia! Du siehst hinreißend aus«, rief er ihr entgegen.
Sie hob das Gesicht zu einem Begrüßungsküsschen auf die Wange. »Du siehst auch nicht übel aus, Marco.« Das war glatt untertrieben. Er trug ausnahmsweise eine Krawatte, dazu ein frisch gebügeltes Hemd. Sein Gesicht war glatt rasiert und duftete leicht nach einem würzigen Aftershave, das ihr plötzlich den Puls hochjagte. Einen Moment lang wünschte sie sich, mit ihm allein zu sein.
Das Weinlokal wimmelte von abendlichen Gästen, die nach der Arbeit auf einen Schluck hereinkamen, aber zum Essen weiterwollten, und so bekamen sie einen Tisch, an dem sie einigermaßen ungestört waren. »Setz dich schon mal hin«, sagte Mark. »Ich kümmere mich um den Wein. Ist dir roter recht?«
»Ja.« Sie sah an ihrer Bluse herunter. »Zumindest trage ich die richtige Farbe, falls ich ihn verschütte.«
Er kam mit einer Flasche und zwei Gläsern wieder.
»Eine ganze Flasche?«, fragte Callie. »Erwartest du noch jemanden?«
Mark schüttelte den Kopf. »Leider haben wir eine Menge Zeit, ihn zu trinken. Wir können erst kurz nach neun ins La Venezia. Ich hoffe, das macht dir nichts aus.«
»Ich hab sonst nichts vor. Außer«, fügte sie hinzu, »dass ich morgen mit der Morgenandacht dran bin. Brians freier Tag.«
»Bis dahin bringe ich dich nach Hause«, versicherte ihr Mark mit einem ziemlich verkrampften Lachen.
Er wirkte so nervös wie Callie sich fühlte. Das machte es nur noch schlimmer.
Mark goss zwei Gläser voll. »Cin cin«, sagte er und stieß mit ihr an.
»Was genau bedeutet das eigentlich?« Sie wollte das schon immer wissen, hatte aber nie danach gefragt.
»Es ist einfach nur die italienische Entsprechung für ›Cheers‹. Ich dachte, das wäre passend für italienischen Wein.«
Callie nahm einen Schluck. Sie war kein Connaisseur,
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