Schuldig wer vergisst
könnte, sie gerade reinzudrücken, sodass sie nicht umkippen oder herausfallen oder tropfen.«
Morag lächelte. »Es ist eine zauberhafte Sitte, nicht wahr? Hab ich in Schottland noch nie gesehen. Ich kann mir vorstellen, dass die Kinder ihre Freude dran haben.«
»Wie wär’s, wenn Sie Ihre Enkeltochter zum Gottesdienst mitbringen würden?«, schlug Callie spontan vor. »Das würde Alex doch bestimmt gefallen, oder?«
Morag senkte den Blick und wandte das Gesicht ab. »Sie fände es toll. Aber sie würden es nie erlauben, da bin ich mir sicher.«
Die U-Bahn fuhr in den Tunnel ein. »Edgeware Road. Dieser Zug endet hier. Bitte alle aussteigen«, verkündete der Lautsprecher.
Gehorsam verließen die Fahrgäste den Zug. Alle außer Alex, die immer noch in ihrer Nische stand.
Edgeware Road? Aber sie wollte doch bis King’s Cross. Dieser Zug sollte sie dort hinbringen.
Langsam stiegen neue Passagiere ein, und ehe sie sich’s versah, fuhren sie in die entgegengesetzte Richtung wieder los. Dahin, wo sie hergekommen war – nach Bayswater.
»Paddington«, kündigte die Stimme als Nächstes an. »Umsteigen zur Circle Line und Bakerloo Line, Hammersmith und City Line und British Rail.«
»Entschuldigung.« Alex drängte sich aus der Tür.
Sie hatte einen Fehler gemacht, wie sie sofort merkte, als sie sich die Karte noch einmal genau ansah. Sie war in einen Zug der Green Line gestiegen, der nur bis zur Edgeware Road fuhr, wo sie doch einen gelben benötigt hätte. Sie musste in die Circle Line.
Alex sah, dass über ihr eine beleuchtete Anzeigetafel hing, auf der die nächsten drei Züge angekündigt wurden. Diesmal würde sie genau aufpassen, dass sie auch den richtigen erwischte.
Neville hatte es deutlich vor Augen: Wie Sid Cowley sich erst einmal eine Zigarette ansteckte und an die Wand lümmelte, bevor er dann irgendwann mal die Klingel drückte.
»Sie ist nicht da, Chef«, sagte Cowley. »Ich hab bei ihr geklingelt. Ich habe fünf Minuten gewartet. Falls sie doch da ist, geht sie nicht an die Tür.«
»Was ist mit Nachbarn?«, fragte Neville.
»Ich habe mit dem alten Knaben von gegenüber geredet. Kennt sie kaum, sagt er. Nur vom Sehen. Sie wohnt noch nicht lange da und ist meistens für sich.«
»Sonst irgendjemand?« Irgendjemand, dachte er, könnte die Kleine gestern Nachmittag vielleicht gesehen haben.
»Sonst ist keiner da. Ist schließlich bald Weihnachten.«
»Na schön, Sid. Dann muss ich sie eben anrufen.« Das widerstrebte ihm zutiefst; er hätte es ihr lieber persönlich sagen lassen, notfalls durch den weiß Gott nicht gerade feinfühligen Sid Cowley. Falls sie tatsächlich nicht zu Hause war, musste er eben hoffen, dass sie wenigstens einen Anrufbeantworter hatte.
Tatsächlich meldete sich nach dem dritten Klingelton eine kultivierte weibliche Stimme mit schottischem Akzent: »Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.«
»Hier spricht DI Stewart, von der Metropolitan Police London. Bitte erschrecken Sie nicht, aber könnten Sie mich wohl bitte so bald wie möglich zurückrufen, Mrs Hamilton?« Neville hinterließ seine Handynummer und hoffte, dass sie diese Nachricht abhörte, bevor sie auf andere Weise vom Verschwinden ihrer Enkelin erfuhr.
Nur einen Moment später musste er sich mit einer anderen dringenden Angelegenheit befassen: einem Anruf von Danny Duffy, dem Computer-Spezialisten.
»Chef«, sagte Danny, »könnten Sie mal zum Computer-Labor rüberkommen? Ich brauche Ihre Hilfe.«
Vielleicht hatte der Wunderknabe ja was gefunden, dachte Neville gespannt. Auch wenn er sich nicht denken konnte, was das sein könnte. Hatte das Mädchen vielleicht ihrem Vater eine Nachricht hinterlassen, aus der hervorging, wo sie hinwollte?
Es war ein schönes, teuer aussehendes Modell, ein weißer Rechner mit einem großen Flachbildschirm, der die anderen Geräte im Labor in den Schatten stellte. Danny saß darübergebeugt und tippte auf der Tastatur. Als Neville den Raum betrat, sah er auf.
»Ah, Chef.«
»Sie haben was gefunden?«
»Ehrlich gesagt, nein.« Danny hielt die Hände in einer hilflosen Geste in die Höhe.
»Was soll ich dann hier?«
»Der Computer gehört einem kleinen Mädchen, ja?«, fragte Danny.
»Zwölf Jahre alt«, bestätigte Neville, der immer noch ratlos war, was das Ganze sollte.
»Das passt. Die Kids kennen sich mit Computern viel besser aus als Erwachsene.«
Neville erinnerte sich, wie er auf Alex’ PC eine Taste gedrückt hatte, woraufhin die
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