Schuldig wer vergisst
nötigen Worte auf Band, um die Vernehmung zu beenden. »Schwebt Ihnen jemand Bestimmtes
vor, oder sollen wir Ihnen helfen, einen zu finden?«
»Wenn Sie damit sagen wollen, dass … dass ich vorher verhaftet werde, dann täuschen Sie sich.« Bicknell wirkte von Minute zu Minute mehr in die Enge getrieben. »Ich sage Ihnen, ich bin ein unschuldiger Mann. Ich hab nix getan.«
»Das wird sich zeigen«, sagte Neville. »Sid, könnten Sie dem Herrn weiterhelfen? Ich weiß Sinnvolleres mit meiner Zeit anzufangen.«
Alex beendete ihre Mahlzeit mit einem zufriedenen Seufzer. Der Big Mac hier hatte sogar noch besser geschmeckt als der englische.
Sie ging noch schnell aufs Klo, dann war sie bereit, den nächsten Bus zu nehmen. Jetzt, wo sie ihrem Ziel schon so nahe war, wollte sie keine Zeit mehr verlieren. Noch an diesem Abend würden Mum und sie zusammen sein, und nichts würde sie je wieder auseinanderbringen. Dad nicht, und ganz bestimmt nicht Jilly. Sie war fast am Ziel.
Draußen war es schon dunkel, und es wurde deutlich kälter. Doch zum Bus hatte sie es nicht weit. Sie lief zuversichtlich die Princes Street Richtung Waterloo Place entlang.
Da vorne war schon die Haltestelle. Sie war, wie die nette Frau gesagt hatte, deutlich an dem Schild zu erkennen, auch wenn niemand sonst dort wartete.
Alex blieb etwa eine Viertelstunde stehen und fror von Minute zu Minute mehr. Es dauerte bestimmt nicht mehr lange: Fuhren Busse nicht ungefähr alle zehn Minuten? Sie stampfte mit den Füßen auf und klatschte in die Hände.
Dann fiel ihr ein, dass die nette Frau ihr einen Fahrplan gegeben hatte.
Ja, sie hatte ihn in die Tasche gesteckt.
Unter dem Licht einer Straßenlaterne schlug sie ihn auf. Montag bis Freitag? Nein, es war Samstag, rief sie sich ins Gedächtnis.
Die Busse, die samstags bis Kelso fuhren, gingen um neun und fünf vor zwölf vormittags.
Der letzte Bus war vor vielen Stunden gefahren.
Die bittere Enttäuschung stieg ihr wie Galle in die Kehle.
Nun denn, sagte sie sich streng, wenn sie bis morgen Früh auf den nächsten Bus warten musste, dann würde sie eben warten. Sie hatte schon einmal in einem Notbehelf geschlafen, dann konnte sie es auch wieder tun. Bestimmt würde sie in Edinburgh eine warme Stelle finden, um dort die Nacht zu verbringen – notfalls in einer versteckten Ecke der Waverley Station. Dann hätte sie es nicht weit, um am nächsten Morgen den ersten Bus zu nehmen und noch vor Mittag bei ihrer Mum zu sein.
Sie ging mit dem Finger den Fahrplan für Sonntagmorgen durch.
Wieder zwei durchgehende Busse. Diesmal allerdings fuhren sie erst um fünf nach drei und fünf vor halb sechs am Nachmittag.
Fast vierundzwanzig Stunden.
Das war zu viel. Die Tränen, die sie die ganze Zeit so heroisch zurückgehalten hatte, stiegen ihr jetzt mit aller Macht in die Augen und ließen sich nicht mehr aufhalten.
Sie wühlte in ihrem Mantel nach einem Taschentuch, und weil sie keins fand, wischte sie sich das Gesicht am Mantelärmel ab. Trotzdem flossen die Tränen weiter. Alex schluchzte und schniefte weiter. Sie war so nah dran, war so weit gekommen, und jetzt das! Noch einmal vierundzwanzig Stunden!
Am Bürgersteig fuhr ein Wagen heran, und ein Mann kurbelte die Scheibe herunter. »Was ist denn passiert, Mädel?«, fragte eine Männerstimme.
Unerschütterliche Gelassenheit: Das war eine der Qualitäten, die Neville an Danny Duffy allmählich immer mehr zu schätzen wusste. Die entsetzlichsten Abgründe konnten ihm sein Lächeln nicht vertreiben; er freute sich in einem solchen Fall einfach an seiner Fähigkeit, sie enthüllen zu können.
»Einige der schlimmsten Bilder, die mir je untergekommen sind, Chef«, sagte er. »Echt widerwärtiges Zeug. Und nicht nur ein paar, sondern Tausende. Wollen Sie mal sehen?«
»Nein, danke.«
Ungerührt fuhr Danny fort. »Ich hatte ja damit gerechnet, so was zu finden, als mir sein Provider mitteilte, er hätte ein Account für das Breitband mit der Höchstgeschwindigkeit. Das bezahlt man nicht mal eben so, wenn man nur ein paar E-Mails verschicken will, Chef. Das weist schon auf Riesenmengen an Downloads hin.«
»Mädchen?«, vermutete Neville und gab sich gar nicht erst Mühe, seinen Ekel zu verbergen.
»Ja, schon«, nickte Danny. »Aber sie sind sehr spezifisch, Chef. Jedenfalls nach allem, was ich gesehen habe. Keine kleinen Mädchen. Keine Teenager. Mädchen genau dazwischen. Elf, zwölf, dreizehn – so um den Dreh.«
»Wie Alex«, sagte
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