Schuldig wer vergisst
erübrigte es sich, ihm zu erklären, wo sie selber war. »Und wo steckst du dann?«, fragte Callie.
»Also, du erinnerst dich doch an Jason?«
»Der Jason, der dich wegen eines Chorsängers hat sitzen lassen?« Den würde sie so leicht nicht vergessen, dachte Callie. Nicht, nachdem Peter sich tagelang bei ihr ausgeheult hatte, als es passierte. Jason war eine der längsten Beziehungen gewesen, die Peter je hatte; als es endete, war ihr Bruder schwer getroffen.
Peter lachte leise. »Das hat er längst bitter bereut. Jedenfalls ist er gestern Abend im Club aufgetaucht. In der Pause hat er mich auf einen Drink eingeladen. Und … na ja, wir sind wieder zusammen«, verkündete er triumphierend. »Er sagt, es wäre der größte Fehler seines Lebens gewesen, mich so mir nichts dir nichts zu verlassen.«
Sie erinnerte Peter nicht daran, dass er damals erklärt hatte, er würde sich mit Jason nicht versöhnen, und wenn er der letzte Mann auf Erden wäre. »Das ist fantastisch«, sagte sie als treue große Schwester. »Ich bin so froh für dich.«
»Ich glaube, ich habe nie aufgehört, ihn zu lieben«, vertraute Peter ihr an. »Und du hast auch Grund zur Freude. Er hat eine kleine Wohnung in Chelsea, und ich ziehe bei ihm ein, ich komme dann also im Laufe des Tages vorbei und hole meine Sachen, und du bist mich endlich los. Ich weiß, es ist für dich nicht leicht gewesen mit mir.«
»O nein, Peter, sag so was nicht«, protestierte sie. »Wie du mal richtig bemerkt hast – wozu hat man schließlich eine Familie? Du wirst mir fehlen.«
Als Callie die Taste drückte, um das Gespräch zu beenden, merkte sie, dass sie es tatsächlich aufrichtig meinte.
Und Bella würde er ebenfalls fehlen.
Bella! Sie hatten sie einfach im Auto gelassen, als sie Alex auf der Einfahrt sahen. Schuldbewusst lief Callie zum Wagen, um nachzusehen, ob ihr nichts fehlte.
Die Polizei war immer noch da und stand unschlüssig herum. Die Beamtin, die versucht hatte, die standhafte Alex mitzunehmen, war am Handy und holte sich wahrscheinlich neue Instruktionen ein.
Noch ein Wagen kam die Einfahrt herauf: eine schnittige schwarze Limousine. Sie fuhr bis zu den Streifenwagen und hielt an.
Der Erste, der ausstieg, war ein Mann, den Callie auf Anhieb vom Foto wiedererkannte: Angus Hamilton. Klein, kräftig gebaut, Geheimratsecken. Ihm folgte jemand, den sie in anderem Zusammenhang schon kennengelernt hatte – ein jüngerer, blonder Polizist, der, wenn sie sich recht entsann, Sid hieß.
Und dann stieg auf der anderen Seite des Wagens noch jemand aus, und es zog Callie das Herz zusammen.
Marco. Es war Marco.
Er sah sie fast im selben Moment wie sie ihn. Natürlich hatte er von ihnen beiden mehr Grund zu staunen. »Callie«, sagte er. »Was machst du denn hier?«
Selbstverständlich war es Neville Stewart, der in Rachels Zimmer kam, gefolgt von einer Polizistin. Er sah todmüde aus, stellte Frances mit einem überraschenden Anflug von Mitgefühl fest. Nein, das war noch untertrieben: Er war unrasiert und ungekämmt und zerknittert, als hätte er in seinen Sachen geschlafen.
Sie hatte im Radio gehört, dass sie das kleine Mädchen sicher und wohlbehalten gefunden hatten. Wahrscheinlich hatte er mit den Ermittlungen zu tun gehabt. »Sie haben Alex Hamilton gefunden?«, sagte sie in der Hoffnung, für Rachel noch ein paar Sekunden Freiheit herauszuschlagen.
»Gott sei Dank, ja.« Er strich sich mit der Hand durchs Haar, sodass es ihm zu Berge stand. »Ihr Vater ist auf dem Weg zu ihr, um sie abzuholen.«
Er war eigentlich wirklich kein unrechter Mensch, dachte sie. Nicht so wie einige der Polizisten in den Fernsehkrimis, die Graham so gerne sah.
Dann erinnerte sie sich an das, was er Triona angetan hatte.
Spontan und ohne das Gebot der Berufsethik abzuwägen, stand sie auf und trat ihm gegenüber. »Könnte ich einen Moment mit Ihnen sprechen? Allein?«
Er sah sie verblüfft an; offensichtlich erinnerte er sich nicht an sie. Vielleicht dachte er, sie würde versuchen, ein gutes Wort für Rachel einzulegen.
»Es geht um eine persönliche Angelegenheit«, erklärte sie.
»Ach so … in Ordnung.« Er nickte der Kollegin zu, dann folgte er Frances in ein kleines Wartezimmer.
Frances redete nicht um den heißen Brei herum; wenn sie nicht direkt zur Sache kam, fürchtete sie, würde ihr Mut sie verlassen. »Es geht um Triona.«
Er ging augenblicklich in die Defensive und verschränkte die Arme über der Brust. »Was ist mit ihr?«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher