Schuldig wer vergisst
worden sein, der sich inzwischen an irgendeinem beliebigen Ort befand. Wenn die Proben, die sie bei der Obduktion genommen hatten, nicht irgendeine überraschende Spur erbrachten, oder aber der stumpfe Gegenstand auftauchte oder der Mord von irgendeiner Überwachungskamera aufgezeichnet worden war, gab es vielleicht nichts, was den Täter mit dem Mord in Zusammenhang brachte, außer diesem iPod. Einer unter unzähligen iPods in dieser Stadt – spurlos und anonym. Die berühmte Nadel im Heuhaufen.
Andererseits musste allen Möglichkeiten nachgegangen werden, was eine gründliche Durchsuchung des Nortonschen Hauses einbezog.
Wie auch eine Menge Fragen an Rachel Norton. Fragen, die sie in diesem Moment verständlicherweise nicht gerne beantworten würde. Neville wusste, dass sie in dieser Situation nicht nur mit der verstörten Rachel fertig werden mussten, sondern auch mit Yolanda Fish, die ihren Schützling wie die Henne das Küken hüten würde.
Mark Lombardi hatte gerade in der Polizeikantine das Mittagessen beendet und war auf dem Weg zu seinem Schreibtisch, als sein Handy in seiner Tasche vibrierte.
Callie!, dachte er mit einem Lächeln. Doch als er das Telefon herauszog, sah er auf dem Display, dass es seine Schwester war.
Er drückte den Knopf, um den Anruf entgegenzunehmen. »Pronto. Ciao, Serena.«
»Marco, tut mir leid, dich zu behelligen.« Er hörte eine Menge Lärm im Hintergrund – das Klappern und Klirren von Geschirr und Besteck und das Stimmengewirr vieler Menschen. »Kannst du mich verstehen?«
»Keine Sorge, ich verstehe dich bestens. Was gibt’s?«
Sie seufzte hörbar ins Telefon. »Ich muss dich um einen riesigen Gefallen bitten, Marco.«
»Was?«
»Hast du heute Abend was vor?«
Das klang nicht gut. Er hatte Callie versprochen, am Abend mit sämtlichen Zutaten rüberzukommen und ihr Schritt für Schritt beizubringen, wie man frische Pasta zubereitet. »Eigentlich schon«, sagte er zögernd.
»Du weißt, dass ich dich nicht darum bitten würde, wenn ich irgendeinen anderen Ausweg wüsste, aber könntest du es vielleicht absagen?«
»Ich höre«, sagte er. Babysitten? Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass er im letzten Moment gefragt wurde, ob er auf seine Nichte Chiara aufpassen könnte.
»Ich hab dir ja erzählt, wie wir mit all diesen Weihnachtsfeiern ausgebucht sind.«
»Ja.«
»Na ja, eine von den Studentinnen, die bei uns aushelfen, kam heute Mittag mit einer schrecklichen Erkältung rein. Das können wir nicht brauchen. Geht einfach nicht, dass jemand sich über dem Essen der Gäste die Nase schneuzt oder ihnen ins Gesicht niest.«
Mark glaubte zu wissen, in welche Richtung die Sache ging. »Also hab ich sie nach Hause geschickt«, fuhr Serena fort, »und seitdem hänge ich am Telefon, um Ersatz zu finden.«
Er hatte inzwischen seinen Schreibtisch erreicht. Mark schloss die Augen und verabschiedete sich von der verlockenden Vorstellung, wie er den Abend mit Callie genießen würde: zusammen in ihrer kleinen Küche, die Hände bis zu den Ellbogen im Nudelteig. Callie mit einem Mehlfleck auf der Wange … »Lass mich raten. Du möchtest, dass ich heute Abend bei euch kellnere.«
Seine Schwester klang flehentlich. »Wir sind total ausgebucht. Wir können uns einfach nicht leisten, zu wenig Personal zu haben. Heute Abend nicht. Wenn du …«
»Ja, geht in Ordnung«, sagte er und gab sich Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen.
Ihr nächster Seufzer brachte die reine Erleichterung zum Ausdruck. »Marco, du bist ein Juwel. Wirklich.«
»Klar doch.«
»Du hast was gut«, sagte sie. »Könntest du schon um sechs hier sein? Oder noch besser um halb? Sobald die Mittagsgäste weg sind, müssen sämtliche Tische gedeckt werden, und die Knallbonbons …«
»Ich werde da sein. Keine Sorge, sorella mia .«
Yolanda öffnete Neville Stewart und Sid Cowley nur widerstrebend die Tür. Sie war selbst Polizistin und wusste, dass sie nur ihre Arbeit erledigten und dass sie damit nicht warten konnten. Doch ihr Instinkt, Rachel zu schützen und ihr die Kollegen vom Hals zu halten, war ebenfalls stark, vor allem angesichts ihrer Schwangerschaft.
Yolandas Aufgabe als Familienkontaktperson bei der Polizei brachte sie oft in Konflikte, die sie normalerweise gut meisterte. Im Zuge der Ermittlungen bei einem Mord war sie sozusagen das menschliche Gesicht der Polizei – sie kümmerte sich um die Hinterbliebenen und hielt sie über den Fortgang der Ermittlungen auf dem
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