Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schuldig wer vergisst

Titel: Schuldig wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Charles Anke und Dr Eberhard Kreutzer
Vom Netzwerk:
Laufenden. Sie hatte für sie da zu sein, an ihrer Seite – eher wie ein Sozialarbeiter oder Priester als Gesetzeshüter.
    Andererseits … andererseits war es eine unumstößliche Tatsache, dass die meisten Mordopfer von jemandem getötet wurden, den sie kannten. In vielen Fällen natürlich sogar von jemandem aus der eigenen Familie. Woraus folgte, dass die Menschen, um die sich Yolanda kümmerte, oft selbst zum Kreis der Verdächtigen gehörten. Zuweilen stellte sich
heraus, dass einer von den Leuten, die sie mit Tee versorgte und in ihrem Kummer tröstete, der Mörder war. Als Polizistin musste sie sich dieser Möglichkeit wohlbewusst und daher innerlich offen sein. Manchmal musste sie ihre Vertrauensstellung innerhalb der Familie nutzen, um etwas herauszufinden, das bei der Aufklärung des Verbrechens half, etwas, zu dem die ermittelnden Kollegen keinen Zugang hatten – ein paar Worte, die in einer Extremsituation fielen, ein Einblick in die Familiendynamik. Und sie hatte damit kein Problem; es gehörte zu ihrem Job, selbst wenn es von ihr verlangte, gegenüber den Menschen, denen sie half, ein wenig Distanz zu wahren.
    Doch Rachel Norton war anders. Sie war höchst verletzlich und völlig allein. Sie hatte außer Yolanda niemanden, der sich um sie kümmern konnte. Ihre Eltern, erklärte sie ihr, waren in Griechenland. Ihre Schwester lebte in Leicester und hatte selbst eine Familie, um die sie sich kümmern musste, und davon abgesehen hatten sie kein allzu enges Verhältnis. Mit Trevors Familie verstand sie sich nicht gut genug, um sie jetzt um sich haben zu wollen, und seit sie nicht mehr arbeitete, hatte sie keine Freunde, auf die sie ohne zu zögern zurückgegriffen hätte.
    Und so entfaltete Yolanda in diesem Fall ihren ganzen Beschützerinstinkt mit einer Ernsthaftigkeit, die ihr bei ihrer Tätigkeit so sehr zugute kam. Eli würde in den nächsten Tagen nicht viel von ihr zu sehen bekommen, so viel stand fest, ob sie den Mörder nun bald schnappten oder nicht.
    »Sie werden hoffentlich nicht zu sehr in sie dringen?«, sagte sie von der Tür aus streng zu den beiden Beamten. »Sie hatte einen schweren Schock. Sie ist sehr verletzlich.« Es wäre zwecklos gewesen, um einen Aufschub bis morgen zu bitten.
    »Wir sind nicht ganz und gar unsensibel, wissen Sie.« Neville ging an ihr vorbei ins Haus, und Cowley folgte ihm
auf dem Fuß. »Aber wenn wir unsere Arbeit machen sollen, müssen wir ihr schon ein paar Fragen stellen.«
    Rachel wartete im Wohnzimmer. Sie hatte sich nicht gerührt, seit Yolanda an die Tür gegangen war. Sie hockte vornübergebeugt, mit gesenktem Kopf in der Mitte des Sofas. Yolanda setzte sich wieder an ihre Seite und nahm ihre Hand, während die beiden Polizisten sich auf den Sesseln niederließen.
    »Mrs Norton«, sagte Neville. »Ich weiß, das ist schwer für Sie. Aber ich bin sicher, Sie wollen uns dabei helfen, denjenigen zu schnappen, der das getan hat.«
    Sie nickte, das Gesicht von ihrem offenen blonden Haar verdeckt, sodass es sich Yolandas prüfendem Blick entzog. Mit ihrer freien Hand strich Yolanda es ihr hinters Ohr, um ihren Schützling besser im Auge zu haben.
    »Mrs Norton, hatte Ihr Mann irgendwelche Feinde?«
    »Feinde?« Sie zuckte zusammen und saß plötzlich kerzengerade. »Aber er wurde doch überfallen! Sie sollten lieber draußen auf den Straßen nach dem Mörder suchen, statt Ihre Zeit mit solchen lächerlichen Fragen zu vergeuden!«
    »Wir müssen das fragen«, warf Cowley ein, sein Notizbuch gezückt.
    »Hatte er irgendwelche Feinde?«, wiederholte Neville. »Zum Beispiel geschäftliche Konkurrenten?«
    Sie schüttelte energisch den Kopf. »Nein. Nichts dergleichen. Er war geschätzt. Von seinen Klienten. Von allen.«
    Neville trommelte mit den Fingern auf die Sessellehne. »Dann fällt Ihnen also niemand ein, der sich seinen Tod gewünscht haben könnte.«
    »Natürlich nicht.«
    »In Ordnung, Mrs Norton.« Neville warf Sid Cowley, der ihm gegenübersaß und sich eifrig Notizen machte, einen kurzen Blick zu. »Jetzt muss ich Sie etwas fragen, das Sie vielleicht sehr aufregen wird.«

    Yolanda spürte die Anspannung in Rachels Körper und drückte ihre Hand noch fester; sie warf Neville einen warnenden Blick zu. »Sachte, sachte.«
    »An diesem Punkt können wir noch keine Möglichkeit ausschließen, deshalb müssen wir ein paar heikle Fragen stellen. Nehmen Sie’s bitte nicht persönlich.« Yolanda begriff durchaus, dass diese Worte ebenso an sie wie an

Weitere Kostenlose Bücher