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Schuldig wer vergisst

Titel: Schuldig wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Charles Anke und Dr Eberhard Kreutzer
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sie allerdings nicht mehr. Sie harrte in Angst und Einsamkeit.
    Callie wusste, wie sich Einsamkeit anfühlt: In den schrecklichen Wochen, nachdem ihr Verlobter Adam ihr eröffnet hatte, er habe jemand anderen gefunden, hatte sie sich so allein gelassen gefühlt, dass es für ein Leben reichte. Doch eine so entsetzliche Situation, wie Morag Hamilton sie ertragen musste, kannte sie nicht: qualvolle Behandlungen mit
schrecklichen Nebenwirkungen – und am Ende doch keine Garantie, dass sie ihr Leben um mehr als ein paar Wochen oder Monate verlängern würden.
    Und sie, Callie, steckte jetzt auch mittendrin. Ob sie wollte oder nicht. Das gehörte zu den Dingen, auf die sie keins ihrer Theologie-Seminare vorbereitet hatte. Sie konnte nicht distanziert mit den Problemen ihrer Gemeindemitglieder umgehen – sich ihren Kummer anhören, ohne betroffen zu sein. Schon jetzt hatte sie begriffen, dass ihr geistliches Amt von ihr forderte, sich auf ihren Schmerz einzulassen, ihn mitzufühlen. Mit den Menschen an Orte zu gehen, die sie lieber meiden würde, einfach nur, um ihnen die Hand zu halten.
    Es war gleichzeitig ein Vorrecht und eine so große Verantwortung, dass sie zuweilen der Mut verließ und sie sich fragte, ob sie der Aufgabe gerecht werden konnte. Ganz sicher nicht ohne Gottes Hilfe.
    Außerdem war es etwas, das eine eigene Form von Einsamkeit mit sich brachte. Menschen vertrauten ihr ihre tiefsten Geheimnisse an, ihre Ängste, ihre Schuld und auch ihr Glück, und das allein schon war eine riesige Last, die sie kaum schultern konnte. Diese Dinge durfte sie mit niemandem teilen oder besprechen. Nicht einmal mit Brian. Und auch nicht mit Marco.
    Oft wünschte sie sich, sie hätte in Marco einen Ansprechpartner, wenn sie ein Problem besonders drückte. Er war klug, er nahm Anteil, und auch er hatte einen Beruf, bei dem er sich den Kummer anderer Menschen anhören musste.
    Tatsächlich hatte sie zuweilen das Gefühl, als unterschieden sich ihre Berufe gar nicht mal so sehr. Marco redete nicht viel über seine Arbeit, doch nach allem, was er ab und zu erwähnte, hatte eine Familienkontaktperson innerhalb der Polizei eine besondere Stellung. Bei anderen Polizisten endete
die Verantwortung, wenn der Fall mehr oder weniger abgeschlossen war und bei der Staatsanwaltschaft landete. Doch als Kontaktperson waren seine Aufgaben eher fließend; sie reichten noch in die Zeit des Prozesses hinein und oft darüber hinaus. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt konnte er auf unterschiedlichen Ebenen mit einer Reihe Familien beschäftigt sein, mit denen er in Verbindung blieb und die er unterstützte. Einmal hatte Marco ihr gegenüber festgestellt, dass ihre Berufe sich sehr ähnelten, nur dass er für die Kripo arbeitete und sie für Gott. Damals hatte sie seine scheinbar leicht hingeworfene Bemerkung amüsant gefunden, doch es steckte viel Wahrheit darin.
     
    Neville war froh, aus dem Haus der Nortons rauszukommen, und nach Cowleys heftigen, mahlenden Kieferbewegungen zu urteilen, ging es dem Kollegen nicht anders. Sie hatten einen Constable hinzugezogen, der den PC abholen und zu diesen mysteriösen Spezialisten bringen sollte, die nicht nur die derzeitigen Daten auf der Festplatte untersuchten, sondern teilweise auch das wieder sichtbar machten, was in der Lebensspanne eines Geräts darauf gelöscht worden war. Trevor Norton war zwar IT-Spezialist, doch Neville ging jede Wette ein, dass selbst er auf seinem Computer Dinge hatte, die er für endgültig gelöscht hielt.
    »Nicht, dass es was bringt«, brummte er gegenüber Cowley. Eine flüchtige Durchsicht von Trevor Nortons E-Mails hatte nichts Aufregendes oder Schockierendes zutage gefördert. Es war so ziemlich alles rein geschäftlich und absolut legal. Keine dubiosen Machenschaften, keine offensichtlichen Feinde. Kein Hinweis auf eine heimliche Freundin oder Geliebte, jedenfalls nicht in den E-Mails. »Ich vermute mal, er wäre nicht so dämlich gewesen, es seiner Frau auf dem Tablett zu servieren, falls er was mit einer anderen hatte«,
räumte Neville ein. »Immerhin hat sie die Buchhaltung gemacht. Sie hatte Zugang zu seinem Computer.«
    »Sie sind auf dem Holzweg«, brummte Cowley.
    Neville war eigentlich sicher, dass Cowley recht behalten würde: Dieses Verbrechen hatte mit Trevor Nortons Privatleben nicht das Geringste zu tun. Trotzdem durften sie nichts unversucht lassen und bei der üblichen Routine nicht schlampen. Am Ende würden sie darüber Rechenschaft ablegen müssen, wie

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