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Schuldig wer vergisst

Titel: Schuldig wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Charles Anke und Dr Eberhard Kreutzer
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Ordnung zu halten. Das sorgte für ständigen Zündstoff zwischen ihr und Alex, die mit der oft wiederholten Lebensphilosophie ihrer Mutter aufgewachsen war, dass langweilige Frauen makellos saubere Häuser hatten. Alex’ Mutter hatte Besseres zu tun gehabt, als ständig zu putzen, und Alex machte sich auch nicht viel daraus. Natürlich fing sie an, ihre Nachlässigkeit und Schlamperei zu kultivieren, sobald sie spitzbekommen hatte, dass sie Jilly damit auf die Palme brachte. Sie schleuderte den Rucksack neben die Haustür, ließ die Schuhe im Wohnzimmer liegen, warf dreckige Kleider neben den Wäschekorb statt hinein. Ein Guerillakrieg mit Zermürbungstaktik.
     
    »Es freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs Stanford«, sagte Ellie. Wenigstens, dachte Jane, hatte das Mädchen Manieren. Jemand hatte sie vernünftig erzogen.

    Darüber hinaus gab es wenig, was sie für das Mädchen einnahm. Sie sah ganz normal aus, war weder besonders hübsch noch ausgesprochen unscheinbar. Jane hatte sich in ihren nächtlichen Fantasien eine Femme fatale ausgemalt, eine Sirene von so auffälliger Schönheit, dass Simon ihr einfach verfallen musste: rotes Haar, das ihr in üppigen Locken um das gekonnt geschminkte Gesicht fiel, und sinnliche Rundungen, die ihr aus den knappen Kleidern quollen.
    Ellie war kein bisschen sinnlich gerundet, sondern eher einen Hauch zu dünn, und ihr Oberkörper verschwand in einem gefütterten Anorak, die Beine steckten in Jeans. Ihr Haar war braun und glatt und lang, ohne eine richtige Frisur, und sie schien überhaupt kein Make-up zu tragen.
    »Ich freue mich auch, Sie kennenzulernen«, sagte Jane nach dem Bruchteil einer Sekunde, den sie brauchte, um das Mädchen zu taxieren. »Kommen Sie doch rein.«
    »Wir wollten dich überraschen«, sagte Simon. »Wir dachten, das geht in Ordnung.«
    Wir, dachte Jane. Simon war jetzt Teil eines Wir .
    »Wenn es euch recht ist, würde Ellie gern ein paar Tage bleiben«, sagte Simon, »bevor sie zu ihren Eltern weiterfährt.«
    »Sie sind herzlich willkommen«, sagte Jane.
    Das Mädchen lächelte. »Wenn es Ihnen keine Umstände macht, Mrs Stanford.«
    »Überhaupt nicht. Das Bett im Gästezimmer ist immer gemacht.« Damit, so hoffte Jane, war eines schon mal geklärt.
    Sie fing einen Blick zwischen ihnen auf: hochgezogene Augenbrauen bei Simon, zusammengepresste Lippen bei Ellie.
    Demnach schliefen sie also wirklich miteinander. Nun ja, was sie in Oxford machten, entzog sich ihrer Kontrolle, doch was unter ihrem Dach geschah, bestimmte immer noch sie.
    Simon ließ es auf sich beruhen, streifte sich die Tasche von der Schulter und stellte sie ab. »Wo ist Dad?«

    »Er sitzt mit den Sonntagszeitungen im Wohnzimmer.«
    »Manche Dinge ändern sich nicht«, grinste Charlie.
     
    Alex’ kostbarster Besitz – sogar noch kostbarer als Buster – war ein Medaillon, das sie stets am Hals trug, selbst wenn sie schlief; nur zum Baden nahm sie es ab. Es hatte ihrer anderen Granny gehört, der Mutter ihrer Mutter, die schon tot war, als sie geboren wurde. Darin steckte ein winziges Foto von Alex’ Mum ungefähr in dem Alter, in dem sie selbst jetzt war. Ihre Mum hatte es ihr zu ihrem zehnten Geburtstag geschenkt, und seitdem trug sie es immer bei sich. Es war für Alex ein großer Trost, allein schon, weil es ihr Hoffnung machte, dass sie eines Tages genauso schön sein würde wie ihre Mutter. Mit zwölf hatte sie Alex ziemlich ähnlich gesehen, das war ein gutes Zeichen für die Zukunft. Und indem sie das Medaillon trug, fühlte sie sich ihrer Mum irgendwie näher.
    Jetzt gab es einen weiteren Grund, weshalb das Schmuckstück, das sie so dicht am Herzen trug, besonders wertvoll war: Auf der Rückseite des Fotos von der jungen Harriet steckte ein Bild von Jack.
    Er hatte es ihr vor einigen Tagen als E-Mail-Anhang geschickt. Statt es auszudrucken und in einen Rahmen zu stecken, wo Jilly es finden würde, wenn sie in ihrem Zimmer herumschnüffelte, hatte sie es auf dem Computer auf ein winziges Format verkleinert, um es um den Hals zu tragen, wo es nie jemand zu sehen bekommen würde.
    Sie öffnete das Medaillon, sah sich beide Fotos an, küsste jedes und ging an den Computer. Es gab Arbeit, und die wollte getan sein, bevor Dad und Jilly zurückkamen.
     
    Nachdem Jane mit den Essensvorbereitungen fertig war, schnell ein weiteres Gedeck aufgelegt und einen Stuhl herangeschoben hatte, saßen sie endlich alle um den Esstisch:
Charlie auf der einen, Simon und Ellie auf der anderen

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