Schuldig wer vergisst
schwor sie sich jeden Sonntag, aber sie wurde einfach nicht gefragt und gegen ihren Willen mitgenommen.
Heute sollte das anders ein. Sie hatte etwas Wichtiges zu erledigen, etwas, das sie am besten tun konnte, wenn sie allein in der Wohnung war. Da Widerstand, wie sie inzwischen
wusste, zwecklos war, musste sie sich eine andere Taktik ausdenken.
Sie rollte sich ganz klein zusammen und wartete auf das, was unweigerlich kommen würde.
Ihr Dad klopfte an die Tür. »Alex? Alex, Mädel? Bist du auf? Willst du einen Happen Frühstück?«
Alex antwortete nicht, und eine Minute später öffnete er die Tür einen Spalt. »Alex?«
Sie stöhnte und sagte in leisem, leidendem Ton, »Dad, ich fühle mich überhaupt nicht gut. Ich hab solche Bauchschmerzen.«
Nach der Eucharistiefeier tat Jane etwas für sie vollkommen Untypisches: Sie kehrte geradewegs nach Hause zurück, ohne auch nur einen Moment auf einen Plausch mit dem einen oder anderen Gemeindemitglied zu verweilen. Normalerweise blieb sie an der Kaffeemaschine stehen und beaufsichtigte den Ausschank nach dem Gottesdienst. Sie traf Absprachen über den Blumenschmuck beim nächsten Treffen der Mothers’ Union; sie hielt sich für ein diskretes Gespräch mit jemandem bereit, der den Pfarrer nicht direkt angehen wollte, aber wusste, dass ein Wort mit Jane genauso wirkungsvoll war.
Heute dagegen hatte sie andere Dinge im Kopf. Sie wollte dafür sorgen, dass ihr Mittagessen in jeder Hinsicht perfekt war.
Gewöhnlich nahmen sie ihre Mahlzeiten in der Küche ein, dem wärmsten Raum in dem zugigen, schlecht geheizten Haus; aber heute sollte es ein Festmahl im Esszimmer geben, und Jane musste nicht nur den Tisch dafür decken, sondern auch rechtzeitig einheizen. Dann war das Gemüse zu putzen: Karotten, Rosen- und Blumenkohl, dazu geröstete Kartoffeln und Pastinaken. Ganz zu schweigen vom Eierteig für den Yorkshirepudding.
Alles war so geplant, dass sie um halb zwei essen konnten – eine halbe Stunde später als gewöhnlich, um für den Fall gewappnet zu sein, dass die Jungen sich verspäteten.
Als Brian von der Kirche zurückkehrte, kam er zu ihr in die Küche. »Kann ich irgendwie helfen, Janey? Den Tisch decken oder Kartoffeln schälen?«
»Glaubst du im Ernst, ich hätte die Kartoffeln noch nicht geschält?«, schnauzte sie ihn an, was gar nicht ihrer Art entsprach. »Ich habe alles unter Kontrolle.«
Brian zuckte zurück. »Entschuldigung, Janey, wollte mich nur nützlich machen.«
»Tut mir leid«, sagte sie, augenblicklich milde gestimmt.
»Es sind doch nur unsere Jungs«, machte er ihr klar.
Doch als es zwanzig Minuten später klingelte, standen nicht nur die Jungs vor der Tür.
Nach der Messe, zu der Mark im allerletzten Moment erschienen war, verdrückte er sich aus der Kirche und schaltete sein Handy ein. Callie musste noch beim Gottesdienst sein, doch er konnte ihr eine Nachricht aufsprechen.
»Ich bin nicht sicher, wann genau ich bei dir sein werde«, sagte er leise, für den Fall, dass sich seine Mutter hinter ihm anschlich und mithörte. »Ich komme, sobald ich kann.« Es war eine vage Auskunft, aber mehr war im Moment nicht möglich.
Jane öffnete mit einem strahlenden Lächeln die Tür. »Charlie! Simon!«
Charlie hatte einen großen, uralten Koffer dabei – er hatte einmal Brian gehört -, den er fallen ließ, um sie zu umarmen. »Mum. O Mum, es ist toll, endlich wieder zu Hause zu sein.«
Simon hatte einen Seesack über der Schulter. Und neben ihm stand ein Mädchen, ebenfalls mit einem Koffer. Sie
stand dicht an Simon gedrängt, fast, als suchte sie bei ihm Schutz.
Bevor er auf seine Mutter zuging, um sie zu umarmen, räusperte sich Simon und sagte in einer Mischung aus Stolz und Zärtlichkeit: »Mum, das ist Ellie.«
Kaum waren Dad und Jilly verschwunden, machte sich Alex auf die Suche nach etwas zu essen. Ihre Magenschmerzen waren auf wundersame Weise verflogen. Tatsächlich hatte sie richtig Hunger. Sie aß einen Teller Müsli und wusch anschließend das Geschirr ab, damit niemand etwas merkte. Dann aß sie eine Banane und vergrub die Schale zuunterst im Mülleimer. Das war für sie einigermaßen ungewöhnlich; normalerweise hätte sie einfach ihr schmutziges Geschirr auf dem Tisch stehen lassen und die schwarze Bananenschale darüberdrapiert.
Eins war mal klar: Jilly war pedantisch. Natürlich hatten sie eine Putzfrau, die an den meisten Tagen kam, doch Jilly genoss die Hausarbeit und war stolz darauf, alles in
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