Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schuldig wer vergisst

Titel: Schuldig wer vergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Charles Anke und Dr Eberhard Kreutzer
Vom Netzwerk:
der fanatischste Jogger nicht abschrecken lassen würde.

    Am Ende war es aberwitzig einfach gewesen. Der unerwartete Schlag auf den Kopf, dann der Schubs in den Kanal. Den iPod an sich zu nehmen, war Abduls spontane Idee gewesen. Er hoffte – zu Recht, wie sich zeigte – darauf, dass der Diebstahl das wahre Mordmotiv verdunkeln würde.
     
    Rachel versuchte nicht, ihre Tat schönzureden, und übernahm die volle Verantwortung dafür; das war nach Frances’ Erfahrung schon an sich ungewöhnlich, und sie stellte fest, dass Rachel ihr damit Respekt abrang. In den Jahren als Krankenhausgeistliche hatte sie immer wieder festgestellt, dass die meisten Menschen selbst in den extremsten Fällen versuchten, ihre eigenen Untaten und ihr Versagen auf jemand anders abzuwälzen. »Ich hätte es nicht getan, wenn mein Mann nicht …« oder »Hätte mich meine Frau nur mehr ermutigt, was hätte ich alles erreichen können …« oder »Meine Kinder haben mich immer daran gehindert …«
    »Es war eine entsetzliche Tat«, sagte sie. »Aber ich musste es tun. Für mich und für mein Baby. Es war meine Idee, ihn zu töten. Ich hatte solche Angst davor, was passieren würde, wenn er es herausbekam, und ich wusste mir keinen anderen Rat. Auch wenn Abdul die Tat ausgeführt hat, haben wir es die ganze Zeit zusammen geplant. Ich bin genauso schuldig wie er.«
    Rachel schwieg einen Moment. Auch Frances blieb stumm; sie wusste, dass die beruhigenden Worte, die sie normalerweise fand, in diesem Fall vollkommen unangebracht und unzulänglich sein mussten. Irgendwann rappelte sich Rachel zum Sitzen hoch, griff nach einem frischen Taschentuch auf dem Nachttisch und tupfte sich damit die Augen. Dann sagte sie entschlossen: »Ich möchte, dass Sie ihn für mich anrufen. Jetzt.«
    »Sie meinen Abdul?«
    »Er muss seine Tochter sehen. Er muss hier bei mir sein.«

    »Die Polizei«, sagte Frances, als sie daran dachte, mit welcher Eindringlichkeit Yolanda Fish sie dazu eingespannt hatte, sich zu Rachel zu setzen. »Haben die einen Verdacht? Wissen sie es schon?«
    Rachel schüttelte den Kopf. »Sie wissen es nicht. Vielleicht hegen sie einen Verdacht. Das könnte durchaus sein. Aber Sie dürfen es ihnen nicht erzählen. Sie haben es mir versprochen. Sie haben mir versprochen, es überhaupt niemandem zu erzählen.«
    »Nein«, sagte Frances. »Das werde ich auch nicht.«
    »Sie müssen Abdul anrufen. Ich liebe ihn«, erklärte Rachel. »Und er liebt mich. Aus diesem Grund haben wir etwas sehr Schlimmes getan. Aber wir haben immer noch uns und unsere Tochter, und wir müssen … zusammen sein, was immer geschieht.«
    Folglich schrieb sich Frances trotz ihres Versprechens an Yolanda, Rachel keinen Moment allein zu lassen, die Nummer auf einen Zettel und ging zu der Warteschlange an den Münztelefonen.
     
    Alex ließ sich diesmal mit dem Nachhauseweg von der Schule Zeit. Der Schnee war weitgehend zu schmutzigem Matsch geschmolzen; Alex trödelte vor sich hin, suchte nach schattigen Stellen, an denen die Pracht liegen geblieben war, und trat mit ihren guten Schulschuhen dagegen, ohne sich darum zu scheren, ob sie das vertrugen oder nicht.
    Die Direktorin hatte versucht, ihren Vater bei der Arbeit zu erreichen, aber er war in einer Besprechung gewesen. Das war schon mal eine gute Sache. Er wäre so böse mit ihr gewesen – nicht nur von ihr enttäuscht, weil sie in der Schule handgreiflich geworden war, sondern auch darüber verärgert, bei seiner ach so wichtigen Arbeit gestört zu werden. Alex würde das im Traum nicht wagen, und selbst die dämliche Jilly machte nicht den Fehler, ihn im Büro anzurufen.
Alex hatte versucht, der Direktorin zu erklären, wie alles gewesen war, doch die hatte gar nicht zugehört.
    Wenigstens hatte sie nicht Jilly angerufen. Nicht, dass Jilly sich viel daraus machte. Nicht, dass Alex sich auch nur das Geringste daraus machte, ob Jilly sich was daraus machte oder nicht. »Jilly, Jilly, du bist so silly«, murmelte sie leise vor sich hin und trat einen winzigen Schneemann um, den jemand im Garten vor dem Haus gebaut hatte. Mit weiteren Spottreimen auf ihre Stiefmutter brachte sie den gesamten Weg bis zur Wohnungstür hinter sich. Sie schloss auf, warf ihren Rucksack auf den Boden, schlüpfte aus dem Mantel und lief schnurstracks in die Küche, um nach Essbarem zu suchen. Durch den Vorfall in der Schule hatte sie eine ganze Mahlzeit versäumt, und ihr Magen erinnerte sie allmählich daran.
    Sie brauchte heute mehr als

Weitere Kostenlose Bücher