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Schuldlos ohne Schuld

Schuldlos ohne Schuld

Titel: Schuldlos ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell-Olof Bornemark
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nicht mehr versteckt. Gleichzeitig zeigt er ein so aufrichtiges Lächeln, dass es Martin beinahe ansteckt.
    »Ich rauche nicht«, antwortet Martin.
    Dies ist eine Lüge, und die anderen vermuten, nein, sie wissen, dass er lügt. Aber die Lüge ist notwendig, da Martin beide Hände freihaben und sich nicht überrumpeln lassen will.
    Dann versucht er sich einen Weg zu bahnen, jedoch ohne Erfolg.
    »So nicht«, sagt der Anführer.
    »Sei ein braver Onkel!«, spöttelt der Junge mit dem freimütigen Lächeln.
    Das ist das Signal.
    Was danach kommt, geschieht sehr schnell. Martin erhält einen Tritt gegen den Brustkorb und fährt zurück. Ein anderer Tritt gegen sein Schienbein wirft ihn um, und er stürzt auf die Straße. Die Angreifer bilden einen halbrunden Kreis um ihn. Sie haben sich einige Schritte zurückgezogen und beobachten aufmerksam ihr Opfer.
    Martin spürt den Schmerz in der Brust und im Bein, aber er ist sicher, dass nichts ernstlich verletzt ist. Der Schnee und die Eisschicht auf der Straße haben die Wucht der Tritte gemildert. Der Boden ist rutschig geworden. Martin weiß, dass sie bald den Angriff fortsetzen werden. Jetzt genießen sie es, den wehrlosen Mann auf der Straße anzustarren. Sie warten darauf, dass die Angst seine Blicke erfüllen wird. Dann ist es Zeit, den Angriff fortzusetzen und die Misshandlung zu vollenden.
    Langsam, als ließe der Schmerz durch die Tritte ihn nur mühsam hochkommen, stützt sich Martin auf den Arm. Gleichzeitig zieht er blitzschnell die linke Jackentasche auf. Er ist unter einer der wenigen Straßenlaternen gelandet, und ihr Licht fällt auf seinen Körper. Die drei Burschen folgen seinem Vorhaben mit steigendem Interesse.
    Vielleicht glaubten sie, dass er ihnen seine Zigaretten anbieten will. An ihrem höhnischen Gesichtsausdruck erkennt er, dass sie ein solches Angebot erwarten und es ablehnen wollen. Nichts kann sie mehr daran hindern, den Überfall zu Ende zu bringen.
    Sie haben keine Eile. Sie sind in diesen Teil der Stadt gekommen, um ihre Überlegenheit und Verachtung zu zeigen. Die ganze Nacht liegt noch vor ihnen, und sie haben nichts dagegen, wenn Martin sie um Gnade bitten würde. Im Gegenteil! Das würde ihnen eine zusätzliche Befriedigung verschaffen. Besonders da niemand von ihnen daran denkt, einen solchen Gnadenerweis zu bewilligen.
    Als Martins Hand endlich den eiskalten Revolver zu fassen bekommt, fühlt er eine Freude in sich, wie er sie nie zuvor erlebt hat. Es ist, als ob die tödliche Kraft der Waffe schrittweise in seinen Körper hinüberströmte. Ohne sich zu ereifern, fast demonstrativ langsam zieht er den Revolver aus der Tasche und richtet ihn auf den jungen Mann, der der Anführer ist. Gleichzeitig spannt er den Hahn, und das metallische Geräusch ist weithin zu vernehmen.
    »Verschwindet!«, brüllt Martin, ohne mit der Stimme zu zittern und ohne erregt zu klingen.
    Ruhig fixiert er den Jungen mit der Adlernase. Der ist der Gefährlichste. Die Waffe ist gegen den Bauch des Jungen gerichtet, und das Gesicht des Anführers zerfällt langsam in Bestürzung und Überraschung.
    »Ich meine es ernst.«
    Dann beginnen die jungen Männer sich zurückzuziehen, mit weit geöffneten Augen fast wie in Trance. Einige Sekunden lang weigern sie sich zu glauben, was sie sehen. Dann begreifen sie, dass es wahr ist. Die Augen beginnen vor Schreck zu tränen. Der lispelnde Jüngling wird zuerst von Panik ergriffen.
    »Der meint es ernst«, schreit er. »Seid vorsichtig! Er ist verrückt!«
    Noch einige Augenblicke stehen alle drei wie versteinert. Dann drehen sie sich um und sausen in voller Fahrt zur U-Bahnstation. Martin sieht die flatternden Gänse um die Ecke verschwinden. Er ist wieder allein.
    Sein Gesicht hat sich verändert. Es liegt großer Ernst darauf, und es ist etwas Erwachsenes, Männliches dazugekommen. Er erhebt sich und steckt die Waffe in die Tasche. Dann lächelt er plötzlich. Der Revolver ist nicht geladen. Nun wird er wieder ernst. Er hatte mit ihm nicht einmal zur Probe geschossen. Das ist eine wichtige Aufgabe, die er schnellstens nachholen will.
    Vielleicht hat Martin laut vor sich hin zu reden begonnen. Er muss über so vieles nachdenken. Deshalb sind die Worte, die er murmelt, zusammenhängend und vernünftig. Er horcht auf das, was er zu sagen hat.
    Ohne Revolver wäre er verloren gewesen. Verprügelt und windelweich geschlagen. Vielleicht sogar fürs ganze Leben. Vielleicht tot. Ohne Waffe hätte er hier gelegen, bis ihn jemand

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