Schuldlos ohne Schuld
Bornemark nach, ohne jedoch die Qualitäten seines Erstlings erreichen zu können.
Nach einer dreijährigen Pause erschien 1989 der hier vorliegende Thriller »Schuldlos schuldig« (Skyldig utan skuld, Norstedts Förlag), der in Schweden großes Aufsehen erregte und ebenfalls von der Schwedischen Krimi-Akademie ausgezeichnet wurde – als »Bester schwedischer Kriminalroman« des Jahres. Kritiker verglichen Bornemark nun mit dem damals überaus populären amerikanischen Autor Stephen King, der durch seine – leider oft arg überzeichnete – Darstellung von Urängsten des Menschen bekannt geworden war. Auch Bornemark manövriert seine Hauptfigur in eine psychische Ausnahmesituation, doch er liefert dabei das subtile Psychogramm eines Mannes, der in eine soziale Außenseiterrolle gedrängt wird und sich vom Opfer zum Täter entwickelt. Martin Larsson rächt sich für die Erniedrigungen durch die Gesellschaft, indem er eine symbolische Tat begeht. Er tötet einen hochrangigen Politiker, einen prominenten Vertreter der Macht, die ihm als korruptes System erscheint und deren Protagonisten ihn mit Gleichgültigkeit oder gar mit Verachtung und Arroganz behandeln. Der Name des Opfers wird nicht genannt, doch die Details stimmen mit denen des Mordes an dem schwedischen Staatsminister Olof Palme am 28. Februar 1986 überein. Damit wies Bornemarks Roman eine realistische Komponente auf, die ihn über all die Kopfgeburten Stephen Kings erhob. Zugleich verschaffte Bornemark seinem Buch eine Rezeption, die weit über die Zielgruppe der Krimi-Leser hinausreichte, denn seine Version des Attentats ist erschreckend logisch und wahrscheinlich.
An jenem 28. Februar 1986 wurde Olof Palme vor dem Kino »Grand« am Sveavägen um 23.21 Uhr durch Pistolenschüsse niedergestreckt und kurz nach Mitternacht für tot erklärt. Er war, wie so oft, ohne Leibwächter unterwegs gewesen. Die polizeilichen Ermittlungen begannen chaotisch; erst 02.05 Uhr wurde Reichsalarm und gar erst 03.09 Uhr Grenzalarm ausgelöst. Bald war klar, dass man nicht auf einen schnellen Fahndungserfolg hoffen konnte. Das Land stand unter Schock. Seit 1792, als König Gustav III. während des Maskenballs in der Stockholmer Oper von einem ehemaligen Offizier seiner Garde erschossen wurde, hatte es keinen Anschlag mehr auf ein schwedisches Staatsoberhaupt gegeben. Das skandinivische Land galt geradezu als Musterbeispiel für gesellschaftlichen Konsens, der sozialdemokratische Staatsminister Palme als ein im In- und Ausland geschätzter Politiker. Doch Palme hatte sich auch Feinde geschaffen, die bei der Frage nach dem Motiv für die Tat in Betracht gezogen werden mussten. So hatte er sich für die Abschaffung von Kernwaffen und gegen das SDI-Militärprogramm der USA ausgesprochen und sich damit bei den »Falken« innerhalb von NATO und Pentagon unbeliebt gemacht – wurde er also von einem Killerkommando der CIA exekutiert? Ebenso war er bei internationalen Waffenhändlern verhasst, weil er entschieden gegen Rüstungslieferungen in Krisengebiete auftrat. Auch in Zusammenhang mit weiteren Konflikten war er jeweils einer der beteiligten Parteien ein Dorn im Auge gewesen, ob nun im Streit zwischen Iran und Irak, in Palästina, Südafrika oder in Bezug auf die Bestrebungen der Kurden, ihre Autonomie zu erreichen. Die schwedische Polizei unter Hans Holmér (der später mehrere Kriminalromane verfasste) konzentrierte sich zunächst fast ausschließlich auf die »kurdische Spur«, das heißt auf einen möglichen Täter aus dem Umfeld der Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Als die Ermittlungen ins Leere liefen, zog man endlich auch innenpolitische Gegner in Betracht. Man wusste, dass Palme als Nummer 1 auf der Todesliste der neonazistischen Nordischen Reichspartei gestanden hatte. Neonazis und Konservative innerhalb der Polizei und des Staatssicherheitsdienstes (Säkerhetspolisen) waren an der illegalen Überwachung Palmes beteiligt gewesen und hatten gewusst, wo Palme in der Tatnacht ohne Bodyguard unterwegs gewesen war. Untersuchungen zeigten, dass mehrere Streifenwagen in der Gegend umhergefahren waren, ohne sich an der Suche nach dem Mörder zu beteiligen. Im Wahlkampf hatte der Jugendverband der konservativen Moderaten Sammlungspartei Plakate mit Palme-Karikaturen und dem Slogan »Gegen Ungeziefer nimmt man DDT« gezeigt. Unter Stockholmer Yuppies kam es unmittelbar nach dem Mord zu Freudenfesten. Zu dieser möglichen Tätergruppe gehörte übrigens auch John Ausonius, ein
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