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Schuldlos ohne Schuld

Schuldlos ohne Schuld

Titel: Schuldlos ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell-Olof Bornemark
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weiß, dann dies: Er ist kein Idiot. Dagegen gibt es viele andere, die das sind, auch wenn sie nicht laut vor sich hin reden.
    »Natürlich!«
    Nun hat er doch tatsächlich nicht mitbekommen, dass sie kamen.
    »Selbstverständlich. Hier ist genug Platz. Bitte sehr!«
    Martin lächelt, und obwohl er sein Lächeln zu kontrollieren versucht, weiß er, dass es übertrieben ist. Er rückt in die eine Ecke, völlig unnötig, da sie auf der anderen Seite des Tisches Platz nehmen. Am abweisendsten von beiden wirkt die Frau. Das ist immer so. Frauen wollen gern Eindruck auf fremde Männer machen und sie gegen die eigene Begleitung ausspielen; sie müssen es aber auch wert sein. Vielleicht verleiht ihnen das ein Gefühl von Überlegenheit. Frauen wollen gern mit anderen Männern spielen, aber sie lassen es nicht zu, dass mit ihnen gespielt wird. Martin fehlen die Eigenschaften, die ihn zu einem geeigneten Spielzeug machen könnten. Deshalb rümpft sie die Nase und sieht ein bisschen verstimmt aus.
    Der Mann, oder besser der Junge, den sie in ihrer Gesellschaft hat – er kann nicht älter als dreiundzwanzig sein – sieht sich im Lokal um, es gibt aber nirgendwo noch zwei freie Plätze. Deshalb zuckt er die Achseln und lächelt zu Martin zurück, es ist aber ein bedächtiges Lächeln. Martin weiß, was das bedeutet. Halte dich zurück! Wir sind nicht deinetwegen hierher gekommen.
    Die Frau ist nicht mehr ganz nüchtern. Die fast zehn Zentimeter langen kornblumenblauen Dreiecke, die an ihren Ohrläppchen baumeln, sind in Unordnung geraten. Martin weiß, wer diese Dame ist. Sie war schon früher hier. Er hatte seine Aufmerksamkeit auf das rosa Schleifchen in der blonden Frisur gelenkt und auf ihr Lachen geachtet und Verzweiflung und Wehmut in ihren Augen gesehen. Viele Nächte hatte er mit ihren feuchten Lippen dicht an den seinen geschlafen. Nein, nicht in Wirklichkeit, sondern nur im Traum. Sie war ihm so nahe gewesen, aber dennoch unerreichbar geblieben. Für alle anderen ist sie beliebig leicht zugänglich. Sie wechselt ihre Begleitung jede Woche, manchmal jeden Tag. Trotzdem kommt Martin nicht an sie heran. Sie will nichts von ihm wissen. Sie sieht ihn nicht als Mann, obwohl er größer und vielleicht auch stärker ist als die meisten hier im Lokal.
    Martin hat nie mit ihr gesprochen. Bis jetzt nicht.
    »Wie Aphrodite«, sagt er und beugt sich lächelnd über den Tisch. Er ist erschrocken und zugleich glücklich über seinen Wagemut.
    »Sie sind schön, wie Aphrodite.«
    Er glaubt, dass dies sehr wohlgesetzte Worte sind. Deshalb muss er sie wiederholen. Auch eine Königin sollte ein solches Kompliment dankbar entgegennehmen. Und der Sprecher lächelt ritterlich und senkt höflich das Haupt.
    »Wer denn?«
    Es ist der Junge, der die Frage stellt und man sieht es ihm an, dass er unsicher ist. Er presst die Lippen zusammen, und der Blick ist plötzlich streitlustig geworden, als glaubte er herausgefordert worden zu sein. Sicher ist er nicht. Er sucht keinen Streit, will aber auch nicht von einer Figur wie dieser gedemütigt werden. Er weiß, dass er Martin in fast allem überlegen ist. Obwohl der andere doppelt so groß ist wie er selbst.
    Die Dame dagegen hat begriffen. Sie richtet sich auf und spannt die Brust, so dass sich die Brustwarzen unter der dünnen Seide abzeichnen. Dann streicht sie königlich mit der Hand über das Haar und lächelt Martin zu. Es ist ein verzeihendes Lächeln von oben, ein göttliches Nicken von den Höhen herab, wohin er niemals eingeladen werden wird. Er weiß das. Trotzdem ist er überwältigt und dankbar. Martin wird rot und drückt sich mit einer solchen Kraft nach hinten, dass es im Holz knackt. Zu spät entdeckt er, dass er vor sich hin murmelt. Er sieht dies in ihren Augen. Zuerst sehen sie verblüfft, beinahe erschreckt aus. Dann beschämt. Doch nicht lange. Die Dame kichert, und der Junge zieht herablassend den Mund zusammen. Martin muss die Verachtung wahrnehmen, die auf seine Tischseite hinüberströmt.
    »Sie reden Unsinn«, sagt der Junge und sieht Martin scharf an, um ihn zum Schweigen zu bringen.
    Das war unnötig. Martin gibt schon Ruhe.
    Was nun folgt, ist eine Provokation, gegen die sich Martin nicht wehren kann. Der Junge legt den einen Arm um den Hals der Dame und zieht sie an sich. Die andere legt er auf ihre Brust. Dann küsst er sie, und sie lässt das mit geöffneten Augen geschehen.
    Martin dagegen schließt die Augen. Mit all seiner Kraft bittet er um Gnade und Schonung.

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