Schule der Hexen
»Ich bin eine Amazone!«
Mythor seufzte und legte Scida die Hand auf den Arm.
»Wir sollten wirklich gehen«, sagte er. »Gerrek?«
Der Mandaler erhob sich und blickte aus den Glubschaugen wie ein getretener Hund. Eines der Männchen hatte ein Einsehen mit ihm und steckte ihm wortlos einen der Pilze in den Beutel.
»Iß ihn, mein Freund«, sagte der andere. »Du brauchst es.«
Gerrek schüttelte nur den Kopf und trottete zur Straße.
»Ich bin eine Amazone!« kreischte es hinter ihnen, als Mythor und Scida ihn erreichten. »Kommt her und kämpft wie Frauen!«
»Tier«, murmelte Gerrek erschüttert. »Er hat ,Tier’ gesagt.«
Und bevor Mythor oder Scida es verhindern konnten, griff er in den Bauchbeutel und schob sich den ganzen Pilz in den Rachen.
»Bist du von allen guten Geistern verlassen?« fuhr Scida ihn an. »Wenn diese Kerle davon so berauscht werden, daß sie sich für Amazonen halten, was soll das dann erst bei dir bewirken?«
»Spuck ihn aus, Gerrek«, drängte auch Mythor. »Schnell!«
Gerrek schluckte den Pilz herunter.
»Ich bin der einzige Beuteldrache der Welt«, sprach er ein großes Geheimnis gelassen aus.
»Das wissen wir! Aber…«
»Und darum weiß auch niemand, wie es bei mir wirkt. Mir ist alles egal. Meine Freunde haben mich hintergangen. Ich bin ein Tier. Ich bin tot.«
»Oh, nein!« entfuhr es Mythor. Scida winkte ab. Schon eilte sie wieder mit forschen Schritten der Stadt entgegen.
»Er wird es überleben«, murmelte sie. »Wir haben wichtigere Dinge zu tun, als uns sein Lamento anzuhören. Honga, wenn die Zwerge nicht gelogen haben, ist Burra mit Yacub und ihren Begleiterinnen jedenfalls noch nicht in Bantalon.«
»Wenn«, gab Mythor zu bedenken. Er ging ein Stück hinter Gerrek, der bedenklich zu schwanken begann, und behielt ihn im Auge. »Was redeten sie von freien Männern? Stimmt das?«
Sie winkte verächtlich ab.
»Was hier unter freien Männern verstanden wird, ist Abschaum. Sie genießen weniger Freiheiten als die Sklaven der Amazonen. Sie werden ob ihrer Kenntnisse geduldet. Und solange sie berauscht sind, gibt es für uns keinen Ärger.«
Mythor fragte sich, ob sie das selbst glaubte.
*
Bantalon war ein Sammelbecken für Amazonen, Abenteurerinnen, falsche und echte Zauberinnen, männliche und weibliche Gaukler und viel anderes Volk, das sich hierher verirrt hatte. Doch eindeutig war das Stadtbild von den rauhen Sitten der Kriegerinnen geprägt. Selten mischten sich die Hexen der Insel in das Geschehen der Stadt ein. In den vielen Gasthäusern ging es drunter und drüber. Kämpfe wurden ausgetragen, der Wein floß in Strömen, und über die engen Gassen hallte das Grölen der Betrunkenen.
Bei den kunterbunt aneinandergereihten Häusern handelte es sich fast ausschließlich um Fachwerkbauten, an denen Wind und Wetter ihre Spuren hinterlassen hatten. Wenige Laternen erhellten die Straßen und Plätze. Das meiste Licht drang aus den großen Fenstern und Eingängen der Herbergen, vor deren Stufen Gaukler tanzten und um einen Becher Wein oder ein Brot bettelten, oder abenteuerliche Gestalten Talismane, Glückswurzeln, große Muscheln und vieles mehr feilboten.
Es gab keine größeren Gebäude. Nichts schien hier für die Ewigkeit bestimmt. Niemand regierte die Stadt. Die in Bantalon stationierten Amazonen bestimmten darüber, wen sie duldeten und wen nicht, wer zu essen und trinken bekam und wer nicht. Ihre Launen bedeuteten Leben und Tod für Fremde, die sich hierher verirrten. Und da sie meist unter quälender Langeweile litten, denn auf Gavanque kämpften die Hexen, waren diese Launen sehr selten die besten.
Das Fort der Amazonen mit tausend Kriegerinnen stand knapp zwei Meilen westlich von Bantalon. Davon ahnten Mythor-Honga, Scida und Gerrek ebenso wenig wie von vielen anderen Dingen, als sie auf der Suche nach einer Herberge für den Rest der Nacht durch die Gassen gingen.
Es dauerte nicht lange, bis Scida eine Unterkunft gefunden hatte. Keinem der drei Ankömmlinge konnte daran liegen, länger als unbedingt erforderlich durch die lärmerfüllte Stadt zu streichen.
Scida wurde sich mit der Herbergswirtin schnell einig. Das alte zahnlose Weib führte sie zwei Treppen herauf zu ihren Zimmern. Eines wies sie Scida an, ein zweites Mythor und Gerrek, nachdem sie wohl zu der Erkenntnis gelangt war, daß Gerrek ein männliches Wesen sei.
Mythor entgingen die Blicke nicht, die sie ihm zuwarf. Und er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.
»Sieht so aus, als
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