Schule der Hexen
bleibt… nicht viel Zeit. Du mußt ihr beistehen…«
Wieder dachte Malva daran, die anderen fünf Hexen zu rufen. Gemeinsam hatten sie ungleich bessere Aussichten, einem Gegner zu trotzen, der mit den Dunklen Mächten im Bunde war. Denn genau dies mußte sie nun, nachdem sie Angi die unseligen Worte hatte ausstoßen hören, befürchten.
Doch andererseits, so überlegte sie verzweifelt, nützt es nur dem Gegner, wenn sie Alarm schlug. Die Meuchelmörder würden gewarnt sein. Und die Zeit war zu knapp. Sie selbst mußte Fieda zu Hilfe eilen. Und sie kannte den Schlüssel zur magischen Sperre, mit der die Meisterin ihre Stube umgeben hatte.
»Komm«, forderte sie Angi auf. »Wenn du es kannst, so begleite mich. Es mag sein, daß sich Fronja dir wieder mitteilt – oder du das Böse eher spürst als ich.«
Das Mädchen nickte schwach. Malva half ihr auf und stützte sie.
Sie sah nicht den Schatten, der über das hübsche Antlitz der Novizin huschte, nicht das kurze, zufriedene Lächeln, das ihre Mundwinkel umspielte.
Yacub war auf dem Weg. Er hatte leichteres Spiel gehabt als befürchtet.
In allen Einzelheiten hatte er sein Vorgehen festgelegt. Nun war er seinem Ziel nahe, und bald würde jeder im Schloß Honga und seinen Begleitern die Schuld an Fiedas Tod geben.
Nur eines war ihm entgangen, als er Angi zwischen den Büschen auflauerte.
Und so ahnte auch er nicht, daß Mythor in diesen Augenblicken, da er sich in Angis Gestalt von Malva zu seinem Opfer führen ließ, kurz vor einer grausamen Entdeckung stand.
*
Erst unter Angis Fenster angelangt, klärten sich Mythors Sinne wieder. Sorge und Angst hatten ihn wie blind durch das Schloß irren lassen. Nur Glück und instinktive Vorsicht mochte verhindert haben, daß er den Hexen in die Arme lief. Die Novizinnen, die ihn beobachteten, kicherten und folgten ihm lautlos wie Schatten.
Dicke und bis zum Dach reichende Ranken bedeckten an dieser Stelle die Schloßmauern. Ganz unter dem Liebeszauber stehend, zögerte Mythor keinen Augenblick und begann zu klettern. Weit und breit regte sich nichts. Die ihn still und heimlich beobachteten, zeigten sich nicht.
Er riß sich an den Dornen die Hände auf, doch nichts hielt ihn jetzt zurück. Die Ranken schienen an der Mauer zu kleben. Tief reichten ihre Wurzeln in die Ritzen und Spalte. Ein letztesmal sah Mythor sich um, als er beide Hände auf die Fensteröffnung von Angis Kemenate legte. Dann zog er sich hoch und stieg ins Gemach der Novizin ein.
Es war dunkel. Kein Licht brannte. Kein Laut war zu hören. Mythors Herz krampfte sich zusammen. Das schreckliche Gefühl, zu spät gekommen zu sein, schnürte ihm fast die Kehle zu.
»Angi?« rief er leise. »So antworte!«
Die Befürchtung wurde zur Gewißheit. Angi war nicht hier, oder sie…
Und nun drang von unten das Kichern der anderen Zaubertöchter an sein Ohr Zornig drehte er sich um und spähte weit vorgebeugt aus dem Fenster. Sie standen unten zwischen den Büschen oder winkten ihm aus den Nachbarfenstern zu. Und sie ermunterten ihn sogar noch, Angi in dieser Nacht zu beglücken. Mythor begriff, daß sie nur auf sein Erscheinen gewartet hatten.
»Geh zur ihr!« riefen sie leise. Wie konnten sie so sicher sein, daß die Hexen sie nicht hörten? »Stille ihre Sehnsucht!« Kichern, dann »Oh, Honga, unser Held! Wenn du dort fertig bist, komm zu mir!«
»Zu mir!«
»Und zu mir!«
»Haltet den Mund!« fluchte er und wandte sich ab. Ihr kindliches Gelächter verfolgte ihn, bis er, ratlos und verzweifelt, in der Mitte der Kemenate stand.
Angi war nicht hier, oder sie spielte mit ihm.
Oder…
Er wußte nicht mehr, was er denken sollte. Die Mädchen draußen glaubten jedenfalls fest daran, daß Angi in ihrem Gemach war. Also hatten sie sie nicht herauskommen sehen. Aber wo?
Mythors Blick fiel auf einen Schrank. Zögernd stand er zwei, drei Herzschläge davor. Was machte seine Hand schwer wie Eisen, jagte ihm einen eisigen Schauer nach dem anderen über den Rücken?
Er zog Alton, fühlte den Griff des Schwertes warm in seiner Rechten – und riß mit der anderen Hand die Schranktür auf.
Angi fiel ihm entgegen. Ihr erstarrter Körper landete neben ihm auf dem Boden, bevor wieder Leben in seine Glieder kam und er sie auffangen konnte.
Noch bevor er sich über sie beugen und sie zum Fenster tragen konnte, um im Mondlicht ihren Hals betrachten zu können, wußte er, was er zu sehen bekommen würde. Ohnmächtiger Zorn packte ihn, als er die beiden roten Punkte an
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