Schule der Hexen
der Halsschlagader sah.
Er fuhr mit dem Finger darüber und fühlte Staub – Blutstaub.
Doch Angis Körper war warm. Ihr Herz schlug schwach und trieb Blut durch ihren Leib. Unter dem Blutstaub war die Bißwunde vernarbt.
»Yacub…«, flüsterte Mythor.
Er rüttelte das Mädchen leicht. Doch weder schlug sie die Augen auf, noch kam Bewegung in sie. Yacub hatte sie nicht wie Ramoa getötet, um in ihre Gestalt zu schlüpfen – denn nur das konnte sein Ziel gewesen sein. Aber was immer er mit ihr angestellt hatte – sie war zwar nicht tot, doch starr wie eine Leiche.
Mythor mußte sich zwingen, sie auf ihr Lager zu betten. Seine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit der Kemenate gewöhnt. Er konnte nichts für sie tun, nicht jetzt…
Doch irgendwo im Schloß ging Yacub in ihrer Gestalt um!
Fieberhaft überlegte Mythor, was er damit bezweckte. Die Hexen mußten gewarnt werden. Zu jenen, die auf Burras Seite standen, konnte er nicht gehen. So blieb ihm nur der Weg zu Fieda.
Er kletterte aus dem Fenster, holte sich weitere blutige Schrammen und sprang das letzte Stück, gefolgt vom Kichern und den recht derben und eindeutigen Zurufen der anderen Mädchen, die nicht ahnten, was mit Angi geschehen war.
Mythor stand nicht länger unter dem Bann des Liebeszaubers. Mit dem Schrecklichen, was über Angi gekommen war, schien auch er erloschen zu sein.
Mythor hastete ins Schoß, Alton schwach glühend in seiner Rechten.
Im Eingang erwarteten ihn Scida und Gerrek. Die Amazone hatte den Mund schon geöffnet, um eine Erklärung zu verlangen. Ihre Kiefer klappten zu, als sie seine Grimasse sah, das vor Schmerz und Zorn verzerrte Gesicht. Bevor er etwas sagen konnte, hatte sie beide Schwerter gezogen, und auch Gerrek hatte die Waffen in den Händen.
»Zu Fieda!« rief Mythor, an ihnen vorbeistürmend. »Yacub ist im Schloß, in der Gestalt von Angi!«
Seine Schritte und die der Gefährten hallten laut über die Gänge. Er nahm keine Rücksicht mehr. Etwas geschah. Wie lange war es her, daß Yacub Angis Gestalt angenommen hatte? Kam jede Hilfe zu spät? Für wen? Für… Fieda?
Der Gedanke daran, daß der Steinerne Angi nur benutzte, um zur Hexenmeisterin vorzudringen, trieb Mythor schier zur Verzweiflung. Doch alles sprach nun dafür. Sie als einzige war in der Lage, ihn zu durchschauen.
Aber nicht, wenn er als Angi kam! Bevor sie die Gefahr erkannte, mußte es zu spät sein!
»Schneller!« schrie Mythor. Er hastete Treppenstufen hinauf, sah sich schnell um, erkannte einen Teil des Weges wieder, Säulen mit Verzierungen, an denen Lankohr sie vorbei zu Fieda geführt hatte. Er scherte sich nicht länger darum, daß die lauten Schritte und die Zurufe die anderen Hexen auf den Plan rufen konnten.
Mythor fand die Halle der Begegnung leer vor.
Der Schweiß ließ ihm das Hemd am Rücken kleben. Seine Augen funkelten, als er herumfuhr und Gerrek anstarrte.
»Wo ist sie?« schrie er. »Du weißt doch immer alles so genau! Wo im Schloß liegt ihre Hexenstube?«
Bevor Gerrek etwas entgegnen konnte, hallte ein markerschütternder Schrei durch die Gänge. Scida, die außerhalb der Halle wartete, deutete nach rechts.
»Von dort kam es!« rief sie und rannte auch schon los.
Jetzt mußten die Hexen erscheinen – und mit ihnen Burra und ihre Kriegerinnen. Mythor, Scida und Gerrek stürmten zwischen dicken Säulen den Gang hinunter. Wieder war der Schrei zu hören, näher jetzt. Mythor blieb stehen und sah sich gehetzt um.
Wieso kam noch niemand?
Für einen Augenblick hatte Mythor den schrecklichen Verdacht, die Hexen und Burra könnten mit Yacub unter einer Decke stecken, ihn sogar ausgeschickt haben, um Fieda zu beseitigen.
Dann hörte er, wie Holz splitterte und eine Fensterscheibe zu Bruch ging. Der Lärm wies ihm, Gerrek und Scida endgültig den Weg zu Fiedas Kammer. Keine magische Sperre hielt sie auf. Ein Rumpeln hinter einer der vielen Türen zu beiden Seiten des Ganges gab ihnen die letzte Gewißheit. Laute wie von einem fürchterlichen Kampf drangen von dahinter auf den Gang. Mythor zögerte nicht länger. Mit aller Kraft warf er sich nach einem kurzen Anlauf gegen das Holz – und flog mit der Tür in den halbdunklen Raum.
Fieda stand vor ihm und wandte ihm den Rücken zu. Er hatte nur Augen für sie und die umgestürzten Tische und zerschlagenen Stühle. Die Hexenmeisterin drehte sich ganz langsam zu ihm um und blickte ihn und die Gefährten zornig an.
»So also dankt ihr mir meine
Weitere Kostenlose Bücher