Schule der Lüfte wolkenreiter1
angestrengt zu erraten, was die Prinzessin meinte. Natürlich! »Brandohn«, flüsterte sie. »Er hat gedroht, Ihnen Brandohn wegzunehmen.«
Pamella wurde leichenblass und zitterte am ganzen Körper, als sie nickte. Lark umarmte den kleinen Jungen noch fester.
»Keine Sorge«, sagte sie mit Nachdruck. »Keine Sorge! Ihr Fürst kann machen, was er will, aber wir Leute aus dem Hochland geben keine Kinder weg!«
Trotz ihrer mutigen Worte erschrak sie, als sie hörte, wie drei Pferde den Weg hinuntergaloppierten. Sie drehte sich um und sah Meisterin Winter allein in der offenen Küchentür stehen. Hinter ihr umrahmten die Zweige des Rautenbaumes ihr ruhiges, schmales Gesicht.
»Ist er weg?«, platzte Lark heraus. Sie wagte kaum, ihrer Hoffnung Raum zu geben.
Meisterin Winter nickte. Sie sagte bitter: »Er wusste die ganze Zeit, wo sie war. Als sie schwanger wurde, hat er sie nach Clellum geschafft und sie dort zurückgelassen. Noch schlimmer ist, dass er seinen eigenen Vater in dem Glauben hat sterben lassen, seine geliebte Tochter sei tot.«
Pamella schluchzte still vor sich hin. Als Brandohn das sah, fing er ebenfalls an zu weinen. Lark setzte ihn ab, damit er zu seiner Mutter laufen konnte. Langsam richtete sie sich auf, durchquerte die Küche und stand vor Meisterin Winter.
»Er hat gedroht, ihr Brandohn wegzunehmen«, erklärte Lark leise.
»Das habe ich vermutet.«
»Und unser Hof?«, fragte Lark. »Werden wir den Unteren Hof verlieren?«
Philippa Winter verzog den Mund und schüttelte den Kopf. »Nein, Larkyn. Das wird er nicht wagen, nicht, solange Pamella hier ist. Er hat große Angst davor, was Pamella dem Rat der Edlen erzählen könnte.«
»Aber sie spricht doch nicht!«
»Schon. Nur weiß Wilhelm das nicht. Und ich habe mich fest entschlossen, es ihm auch nicht zu verraten.«
Baronin Beeht und Hester reisten zusammen in der Kutsche an, um Irina Stark zu ihrer Bestattung zu bringen. Hester und Lark gingen hinaus zur Scheune, um nach Tup und Soni zu sehen und dem Kutscher zu helfen, die Kutschpferde abzureiben und ihnen Wasser zu geben. Starke Lady wurde immer unberechenbarer und gefährlicher, und niemand wagte sich in ihre Nähe, weil sie mit den Hufen austrat. Lark schaffte es, ihren Wassereimer zu füllen, dann standen sie und Hester eine Weile da und starrten bedrückt die bedauernswerte Stute an.
Philippa und Baronin Beeht verschwanden im Bauernhaus und sprachen eine Stunde lang vertraulich mit Broh. Als sie mit finsteren Gesichtern wieder auftauchten, setzten sich die Mädchen zu ihnen an den Tisch. Weil die Gattin eines Ratsmitglieds anwesend war, bekam Peonie runde Augen und hielt ausnahmsweise den Mund. Sie servierte allen starken Tee und stellte eine Platte mit Hirtenstäben, den Keksen aus dem Hochland, auf den Tisch. Pamella setzte sich neben den Herd. Brandohn schlief mit Edmars Holzschwert in den kleinen Händen auf ihrem Schoß.
»Mamá«, sagte Hester unverblümt, bevor sie auch nur die Kekse probiert hatte. »Papá wird das regeln, nicht wahr? Du kümmerst dich darum, richtig?«
Lark beobachtete Mutter und Tochter und staunte über ihre Ähnlichkeit. Sie glichen sich nicht nur äußerlich, nein, auch in ihrer Ehrlichkeit und ihrer direkten, offenen Art. Lark erinnerte sich an den kleinen, rundlichen Baron Beeht mit seinem unsicheren Verhalten und empfand kurz Mitgefühl
für den Mann. Er war in diesem Haushalt eindeutig der Unterlegene. Lark bezweifelte nicht, dass Baronin Beeht klar ihre Meinung im Rat der Edlen äußerte, selbst wenn es nicht mit ihrer eigenen Stimme war.
Jetzt straffte die Baronin Beeht ihr Wams und lehnte sich auf dem alten, bequemen Stuhl zurück. »Er wird wenig ausrichten können«, erwiderte sie nachdenklich. »Die geflügelten Pferde sind Eigentum der Fürsten, doch ihre Handhabung wird weit mehr durch die Tradition als durch Gesetze geregelt. Abgesehen natürlich von allem, was die Blutlinien betrifft. Fürst Friedrichs Ururgroßvater Frans war ein Mann mit sehr viel Weitblick, und er schrieb die Handhabung der Blutlinien fest. Es wäre Hochverrat, gegen diese Gesetze zu verstoßen.«
»Dann hat Fürst Wilhelm …«, begann Lark, verstummte jedoch sofort. Es verwirrte sie, dass Wilhelm Tup aus den Akademieställen gestohlen, Irina Stark hinter ihnen hergejagt und seine eigene Schwester bedroht hatte und dennoch ungeschoren davonkommen sollte.
Hester dagegen nickte, als hätte sie alles verstanden. »Deshalb«, sagte sie, »haben wir eine
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