Schule für höhere Töchter
Hoffentlich keine Leichen. Als wir heirateten, habe ich Reed nämlich mehr oder weniger versprochen, mich nicht mehr mit Leichen zu befassen.«
»Nein, keine Leiche«, sagte Julia düster. »Aber wir können hier nicht länger flüsternd herumstehen. In Miss Tyringhams Zimmer findet eine Konferenz statt. Komm.«
Als sie durch die Flure gingen, war Kate froh über Julias Begleitung. Sie hatte sich das Gebäude nie so dunkel vorgestellt und bewunderte nun fast den Mut der Jungen, die eingebrochen und den Boden der Turnhalle zerstört hatten. Das Schulgebäude war natürlich abends häufig offen für Elterntreffen, Tanzveranstaltungen, Theateraufführungen und Konzerte, aber dann waren Halle, Treppen und Fahrstühle normal beleuchtet, so daß alles fast wie immer aussah, wenn auch ohne die durch alle Gänge lärmenden Kinder.
»Wie gut, daß hier kein Elterntreffen stattfand, als was auch immer passiert ist«, sagte Kate, mehr um ihre Stimme oder überhaupt eine Stimme zu hören, als um eine besonders sachdienliche Bemerkung zu machen.
»Hätte ein Elterntreffen stattgefunden, wäre das nicht passiert. Es mußte ein Abend sein, an dem das Gebäude abgeschlossen ist, verstehst du?«
»Ach ja«, sagte Kate, die zwar nicht verstand, aber hoffte, das bald zu tun. »Warum sind eure Elterntreffen immer abends?« fragte sie. »Ich dachte, die Mütter kämen am Nachmittag und würden hinterher mit Tee und feinem Gebäck wiederbelebt.«
»Wir machen das schon seit Jahren, in der naiven Hoffnung, daß auch Väter kommen, die natürlich viel zu beschäftigt sind mit den wichtigen Dingen des Lebens, um sich in den Nachmittagsstunden freizumachen.« Julia verstummte, als sie Miss Tyringhams Büro erreichten.
»Lassen Sie es einfach läuten«, sagte Miss Tyringham gerade. »Stöpseln Sie nur meinen Apparat ein, für den Fall, daß ich telefonieren muß. Sie müssen wissen«, fuhr sie zu Julia gewandt fort, »daß jemand den Krankenwagen gesehen und angerufen hat, um zu fragen, was los ist. Ich fand es immer gut, wie die Theban-Mütter stets bei dem kleinsten Problem Kontakt mit uns aufgenommen haben, aber heute hätte ich ganz gut ohne irgendwelche Neugier auskommen können. Die Schule ist normalerweise zu dieser Zeit geschlossen, und wir verhalten uns einfach so, als wäre sie es auch.«
»Angenommen, jemand ruft bei Miss Freund zu Hause an?« fragte Julia.
»Dann wird sie einfach den Tatsachen entsprechend antworten, daß sie nicht weiß, wovon die Rede ist.«
»Wird sie dann nicht sofort kommen, um zu sehen, was los ist?«
»Da haben Sie zweifellos recht. Rufen Sie sie an, Julia, und erzählen Sie ihr genug, damit sie eventuelle Anrufer beruhigen kann, aber sie soll zu Hause bleiben und die Dinge von dort aus regeln. Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind, Kate. Im Moment stolpern wir von einer Krise in die andere. Wie Pooh, der holperdistolper, holperdistolper von Christopher Robin die Treppe hinaufgeschleift wird. Ich glaube, wir können in diesem Fall den ganz großen Knall verhindern, wenn Sie den Ausdruck entschuldigen; aber die Tragweite ist wirklich ganz schrecklich.« An Kate gerichtet, fügte sie hinzu: »Ich habe gehofft, sie könnten Licht ins Dunkel bringen.«
»Wo ist Angelica?« fragte Julia.
»Angelica liegt im Krankenzimmer; Mrs. Banister beruhigt sie gerade«, sagte Miss Tyringham zu Kate. »Sie und Mrs. Banister sind unsere Rettungstruppe, hoffe ich.« Das klang eher matt. »Natürlich wollen Sie wissen, was passiert ist«, fuhr sie fort. »Wir haben einen jungen Mann gefunden, der sich hier im Gebäude versteckt hatte; er war fast besinnungslos vor Angst und Aufregung und völlig ausgehungert. Aber, damit Sie in dieser Sache überhaupt einen Sinn erkennen können, muß ich Ihnen erst unsere komplizierte Prozedur erklären, mit der wir versucht haben, das Schulgebäude gegen Eindringlinge zu sichern. Wenn Sie rauchen wollen, bitte schön. Ich würde Ihnen gern etwas zu trinken anbieten, aber ich habe nichts. Haben Sie genügend Geduld, sich diese ziemlich umständliche Erklärung anzuhören?«
Kate lehnte sich zurück, steckte sich eine Zigarette an und stellte fest, daß ihr keine Methode einfiel, mit der man sie noch mehr auf die Folter spannen könnte, als das jetzt schon der Fall war.
»Ich weiß nicht, ob Sie von den Schäden gehört haben, die hier von Einbrechern und Dieben verursacht worden sind«, begann Miss Tyringham. Kate berichtete, daß Anne Copland ihr von den Diebstählen und dem
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