Schule versagt
– formuliert sein und benennen, welche Veränderungen konkret ausgelöst werden sollten, z. B. in welchem Fach in welcher Klassenstufe welche Verbesserungen angestrebt würden. Dann sollte gemessen werden (»messbar«), ob die angestrebte Veränderung eingetreten sei. Vorher musste sichergestellt werden, dass in den Gremien ein Konsens aller Beteiligten erfolgt war (»akzeptiert«). Realistisch bedeutete, dass das so ausführlich definierte Ziel mit eigenen Kräften auf der Basis vorhandener Mittel erreichbar war und zwar bis zu einem in der Zielformulierung benannten Termin. Hatte Carlo das intendiert, als er den Fixed Day bei uns einführte? Konnte er oder ein anderer Kollege genau definieren, welche konkrete Veränderung er bei welchen Schülern bis wann auslösen wollte?
Die Veränderung in Bezug auf die Übernahme von Eigenverantwortung, die Zusammenarbeit mit anderen Schülern, das gegenseitige Helfen, war sicher eine Motivation für Carlo und auch füruns alle. Klar war auch, dass wir uns über die Einführung des Fixed Day abgestimmt hatten, das musste nicht gesagt werden. Die Terminierung war eher ungenau. Wer konnte schon die Entwicklung eines Schülers genau vorhersagen, terminieren, wann er den Schritt vom Opfer und ewigen Säugling zum proaktiv agierenden, selbstverantwortlichen Individuum bewältigt haben würde? Es dauerte in jedem Einzelfall unterschiedlich lange, und manchmal klappte es auch gar nicht. Es kam mir so vor, als sollten wir sagen, in welcher Minute eines Fußballspiels ein Tor fallen würde. Und unsere eigenen Mittel? Personal stand zur Verfügung für diesen einen Termin pro Woche, obwohl die Kollegen den Fixed-Day-Termin zusätzlich zu ihren regulären Unterrichtsverpflichtungen wahrnahmen. Aber wie erfolgreich die Versuche sein würden, über Lehrersprechstunden Veränderungen zu erreichen, hing eben auch wieder erheblich von der Persönlichkeit des Lehrers ab, der diesem oder jenem Schüler gegenübersaß, und in welcher Weise er mit ihm kommunizierte. Und da gab es, trotz EVA, erhebliche Unterschiede.
Ich hatte im vorausgegangenen Schuljahr meine Klasse übernommen. Natürlich musste auch sie sich am Fixed Day beteiligen. Meine Schüler hatten ebenso wenig dagegen wie ich selbst. Zum Zeitpunkt der Einführung des Fixed Day waren sie seit einem Jahr bei uns und hatten sich, auch ohne diesen Termin zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Kommunikation, bereits erheblich verändert. Wir hatten es uns angewöhnt, Probleme zu besprechen, auch im Unterricht, und die Erfahrung, die daraus resultierte, war, dass es sich mit gelösten Problemen leichter leben und miteinander lernen ließ als mit ungelösten. Ich habe an anderer Stelle bereits geschrieben, dass die so verbrachte Unterrichtszeit nie verschwendet wurde, sondern sich immer doppelt und dreifach rentierte. Meine Schüler waren auch wissensmäßig die Elite der Abteilung. Man merkte ihnen die »verlorenen« Unterrichtsstunden nur insofern an, dass sie zu einer Verbesserung der Leistungsbereitschaft und des Lernklimas beigetragen hatten. Austausch und Reflexion, so wie sie für den Fixed Day gefordert waren, wurden von uns also bereits praktiziert. Wir brauchten den Termin so gesehen gar nicht. Ich wusste auch, dass meine Schüler sich häufig am Nachmittag sahen, um gemeinsam zulernen oder etwas zu unternehmen. Trotzdem freute ich mich über die Bereicherung, die es für sie bringen würde, einmal ganz frei mit ihrer Unterrichtszeit und ihrer Zeit in der Schule umgehen zu können, auch wenn es nur an einem Tag in der Woche für eineinhalb Stunden der Fall war. Als der Fixed Day eingeführt wurde, ließ ich meine Schüler gewähren. Sie sollten und wollten so viel selbst organisieren wie möglich. Wir waren übereingekommen, dass sie mich nur dann kontaktieren würden, wenn sie mit einer Situation, einem Problem oder einem Konflikt nicht allein fertigwürden. Wenn ich meinerseits den Eindruck hatte, dass es ein Problem zu lösen galt, hielt ich Rücksprache mit ihnen. Sie waren damit einverstanden, dass wir zukünftig den Fixed Day für Besprechungen nutzen sollten. Obwohl die Teilnahme selbstverständlich freiwillig war, kamen sie jedes Mal vollzählig zu diesem Termin zusammen und wir besprachen, was gerade anlag.
Als Carlo später die verwaiste Klasse des kranken Herb übernahm, führte er diese Art des Umgangs miteinander ein und machte gute Erfahrungen damit. Die kontrollgewohnten Schüler entwickelten sich langsam
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