Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis
nordöstlicher Richtung. Als das Signal vor zwölf Tagen plötzlich ausblieb, haben wir auf allen möglichen Kanälen versucht, Kontakt aufzunehmen. Aber wir hatten weder über Funk noch Satellitentelefon Erfolg.«
»Wieso nennen Sie die Expedition meines Vaters eigentlich ständig so?« Henry machte ein verwirrtes Gesicht. »Spyker-Team? Ich meine, werden Expeditionen nicht normalerweise nach dem Forscher benannt, der sie leitet?«
»Oder nach ihrem Geldgeber!« Professor Albrecht wandte sich mit fragender Miene an Golitzin. »Soll das heißen, dass Donalds Expedition von der Spyker Corporation gesponsert wurde?« Als Golitzin nickte, fügte er, an Henry und die anderen gewandt, hinzu: »Als Donald vor zwei Monaten begann, seine Expedition zu planen, bekam ich am Rande mit, dass er mit Wayne Spyker in Kontakt stand. Ich hätte allerdings nie gedacht, dass die beiden sich einig würden, noch dazu in so kurzer Zeit.«
»Wayne Spyker?«, wiederholte Henry. »Wer ist das? Und was ist die Spyker Corporation?«
»Wayne Spyker ist ein amerikanischer Großindustrieller.« Eileen goss sich mit einer fahrigen Bewegung Kaffee nach. Sie sah auf einmal blass aus und wirkte ein gutes Stück älter als noch vor wenigen Stunden. »Er hat ein Vermögen mit der Entwicklung und Vermarktung von taktischen Waffensystemen gemacht … nicht immer mit sauberen Methoden, wie man munkelt. Seine Firma, die Spyker Corporation, ist eine der einflussreichsten auf der ganzen Welt. Sie deckt das gesamte Spektrum ab: von halbautomatischen Handfeuerwaffen bis zu strategischen Gefechtssprengköpfen für ferngelenkte Raketen. Spyker ist quasi der Steve Jobs der Waffenindustrie.« Sie lächelte humorlos. »Er verfügt über ungeheuren Einfluss, nicht nur in der westlichen Welt, auch im Nahen Osten. Angeblich beliefert er verschiedene Staatsoberhäupter dort mit westlicher Technologie. Man hat ihm allerdings nie etwas nachweisen können.«
»Als junger Mann war Spyker Soldat bei der US Army«, meldete sich Dr. Lamont von der anderen Seite des Tisches zu Wort. »Angeblich legte er damals den Grundstein für seinen späteren Reichtum, indem er ein geheimes Waffenpatent des Militärs entwendete und an den meistbietenden Machthaber im Ostblock verkaufte. Aber auch das ist nur ein Gerücht. Hätte man ihm die Sache nachweisen können, säße er heute noch hinter Gittern.«
»Dass er Dreck am Stecken hat, ist jedenfalls ein offenes Geheimnis«, nahm Eileen den Faden wieder auf. »Seit einem Attentat, das palästinensische Waffenschieber vor zehn Jahren auf ihn verübten, sitzt Spyker im Rollstuhl.« Sie legte den Kopf schief und sah Henry vielsagend an. »Und jetzt frag dich mal, wieso Palästinenser versuchen sollten, einen amerikanischen Industriellen umzubringen – es sei denn, sie hätten Geschäfte miteinander gemacht und sich über irgendeine krumme Sache in die Haare gekriegt?«
Henry runzelte die Stirn. »Aber was hat Spyker mit der Forschungsreise meines Vaters zu tun?«
»Er hat seine Expedition finanziert«, ergriff Dr. Golitzin wieder das Wort. »Und dabei hat er sich, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, nicht lumpen lassen. Die Ausrüstung, die Dr. Wilkins und seine Leute mitbrachten, war vom Feinsten: Expeditionsanzüge aus MET5 mit solarbetriebener Heizschicht, Satellitenhandys der neuesten Generation, jede Menge Computerequipment. Auf allem prangte dick und fett das gelbe Emblem der Spyker Corporation.«
»Welches Interesse sollte jemand wie er daran haben, eine private Forschungsexpedition zu sponsern?« Henry legte die Stirn in Falten. »Noch dazu eine so spezielle … Ich meine, sosehr sich Dad für diese angeblichen Schriftzeichen unter dem Eis begeisterte, so uninteressant dürften sie für die meisten anderen Menschen auf der Welt sein, oder?«
»Diese Frage habe ich mir auch gestellt, als ich mitbekam, dass Donald auf seiner Suche nach einem Geldgeber an Spyker geraten war.« Professor Albrecht rückte sich die dicken runden Brillengläser auf der Nase zurecht. »Es ist im Prinzip nichts Ungewöhnliches, dass ein Wirtschaftsunternehmen wissenschaftliche Expeditionen finanziert. Aber normalerweise gibt es in solchen Fällen gewisse Überschneidungen, was die Interessen der Beteiligten angeht. Große Pharmaunternehmen beteiligen sich zum Beispiel gelegentlich an Forschungsreisen in entlegene Gebiete des tropischen Dschungels – sofern die Hoffnung besteht, dass von dort bislang unentdeckte Pflanzen mitgebracht werden, die
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