Schusslinie
aber, da er ohnehin im Süden war, doch kurzfristig sein Kommen angekündigt.
Die Adresse, die er jetzt im Remstal suchte,
befand sich in einem vornehmen Wohngebiet oberhalb von Grunbach. Er war vor Jahren
schon einmal dort gewesen. Denn Edgar Pfisterer galt nicht nur als engagierter Anhänger
der Konservativen, sondern war auch zugänglich, wenn für das eine oder andere Projekt
ein paar Euros gebraucht wurden. Riegert hatte sich telefonisch angemeldet und sofort
einen Termin bekommen. Pfisterer zeigte sich erfreut über den Besuch, führte den
Abgeordneten in sein Wohnzimmer und bot ihm in einem der wuchtigen Sessel einen
Platz an. Frau Pfisterer setzte sich zu den beiden Männern und sagte: »Schön, dass
Sie mal wieder bei uns vorbeischauen.«
»Die Freude ist ganz meinerseits. Ich geb natürlich
zu, dass ich nicht einfach so mit der Tür ins Haus gefallen wäre, wenn’s nicht etwas
Wichtiges zu besprechen gebe. Ich hab’s Ihrem Mann bereits am Telefon angedeutet.«
Pfisterer nickte und ließ seine Arme über die
Lehnen baumeln. »Sie wissen, ich hab für Sie immer ein offenes Ohr.«
»Ja, das ist sehr freundlich von Ihnen«, entgegnete
Riegert. »Ich brauch einfach Ihre Hilfe. Herr Beierlein hat mich an Sie verwiesen.
Das heißt, er hat mir von Ihrer Sponsoring-Gesellschaft erzählt und dabei auch Ihr
Engagement erwähnt.«
»Herr Beierlein hat mir natürlich von Ihrem
Interesse berichtet. Wir sind beide hocherfreut, dass Sie uns ebenfalls unterstützen
wollen.«
Riegert zögerte. »Nun«, sagte er vorsichtig,
»um ehrlich zu sein, bis vor kurzem hab ich von Ihren Bemühungen gar nichts gewusst.
Deshalb war ich …« Er suchte nach
einer diplomatischen Formulierung, »… ja, deshalb war ich von diesen Aktivitäten
überrascht.«
Pfisterers Ehefrau verfolgte das Gespräch gespannt.
»Sie werden verstehen, dass wir die Sache nicht
an die große Glocke hängen wollten«, erklärte Pfisterer gelassen. »Nennen Sie’s
Bescheidenheit. Wir wollen die hohe Politik nur dort in Anspruch nehmen, wo’s dringlich
erscheint.«
»Ich kann mir natürlich denken, dass einiger
Aufwand damit verbunden ist, so eine WM richtig zu vermarkten.«
»Natürlich. Man darf nichts dem Zufall überlassen.
Das war 1974 noch ganz anders. Heutzutage muss man in die Offensive gehen und überall,
wo’s nur geht, den Fußball positiv hervorheben.«
»Sie haben einige Unternehmer in den Reihen«,
versuchte Riegert das Gespräch in die gewünschte Richtung zu bringen, »auch bei
uns im Lande.«
»Natürlich, da sind wir ganz besonders stolz.
Immerhin wurde hier bei uns im Remstal das Automobil erfunden. Das wird oftmals
vergessen.«
»Auch in meinem Wahlkreis sind Sponsoren ansässig?«
Es klang wie eine Feststellung, sollte aber eine Frage sein.
»Naja, Herr Riegert, ich bitt Sie«, entgegnete
der Unternehmer loyal, »das ist doch Ehrensache, oder? In Klinsis Heimat sozusagen.«
»Der Herr Nullenbruch ist einer der Sponsoren.«
Wieder war es eine Feststellung, die Riegert in den Raum stellte, während ihn Frau
Pfisterer jetzt ein bisschen misstrauisch zu beäugen begann. »Natürlich, Nullenbruch.
Er war schon immer ein Fußballfanatiker. Doch jetzt sieht auch er die einmalige
Chance, daraus für uns alle Kapital zu schlagen. Den Aufschwung, müssen Sie wissen,
Herr Riegert. Den Aufschwung, den hoffentlich Ihre Partei und die Frau Merkel bald
kräftig einläuten.«
»Schade nur, dass dies alles von diesen Verbrechen
überschattet wird – bei uns im Kreis Göppingen.«
Die Blicke der Eheleute Pfisterer trafen sich
für einen Moment. Doch der Unternehmer ließ sich nicht anmerken, dass ihn Riegerts
Hinweis auf die Todesfälle irritiert hatte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass
dies in einem Zusammenhang mit Nullenbruch steht«, meinte er knapp und unterkühlt.
»Auch nicht, nachdem er seit Tagen verschwunden
ist?«
»Verschwunden?«, staunte Pfisterer, »ich bitt
Sie. Er ist auf Geschäftsreise in der Slowakei. Manchmal gönnt er sich bei dieser
Gelegenheit eine kleine Auszeit.«
»Hielten Sie es für denkbar, dass es … ja, dass es, äh, Versuche gibt, Ihre Bemühungen
zu torpedieren?« Riegert wagte diesen Vorstoß, was bei Frau Pfisterer sichtliches
Unbehagen auslöste. Ihr Gatte hingegen schien gelassen zu bleiben.
»Torpedieren«, wiederholte Pfisterer, »Sie
sind lange genug im politischen Geschäft, dass Sie selbst genau wissen, dass es
immer Feinde gibt. Natürlich werden Sie Stimmen hören, die der Wirtschaft
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