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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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beendet.
     
    Ministerialdirektor Harald Gangolf war einigermaßen beunruhigt. Er
trommelte mit den Fingern auf der blanken Schreibtischplatte aus Nussbaum und starrte
das abstrakte Gemälde auf der gegenüberliegenden Wand an. Wie immer, wenn er nervös
war, versuchte er, in den Farbklecksen irgendwelche Gebilde zu erkennen – was ihm
aber nie gelang. Dieser Bundestagsabgeordnete Riegert schien ein Problem zu werden,
dachte er. Zumindest sah es nach allem, was Eva Campe vorhin berichtet hatte, nach
keinen einfachen Verhandlungen aus.
    Gangolf kämpfte mit sich, ob er in Riegerts
Wahlkreis aktiv werden musste. Vielleicht würde es den Vertretern der dortigen Wirtschaft
gelingen, Einfluss auf den Abgeordneten zu nehmen. Immerhin war dort Arbeitgeberpräsident
Dr. Hundt mit seinem Unternehmen angesiedelt. Andererseits bestand die Abmachung,
die Spitzenfunktionäre grundsätzlich nicht in die Schusslinie zu bringen, um ihre
Position nicht zu schwächen.
    Der Ministerialdirektor empfand die Stille
in seinem großen Büro als beängstigend. Es war ihm, als sei er mutterseelenallein
mit einem Vorhaben, das jetzt nicht mehr zu stoppen sein würde. Einmal in Gang gesetzt,
gab es kein Zurück mehr.
    Während er grübelte und in dem Gemälde noch
immer keine Logik entdeckte, kam ihm Nullenbruch in den Sinn. Klar, Nullenbruch.
Dieser Mittelständler in Göppingen. Er hatte ihn vor zwei Jahren bei einer Konferenz
von Wirtschaftsfunktionären in Stuttgart kennen gelernt. Ein bodenständiger Unternehmer,
ein Schwabe. Aber auch ein Dickschädel. Vor allem aber einer, der davon zu überzeugen
gewesen war, dass die Stimmung im Lande dringend eine Kehrtwendung brauchte. So
ein Mann konnte den örtlichen Abgeordneten der Opposition bei weitem besser in die
Zange nehmen, als er, der Angehöriger der Regierungskoalition war. Außerdem würden
ohnehin in vier Monaten die Rollen getauscht sein.
    Er öffnete die schwere Seitenschublade und
brachte ein gebundenes Notizbuch hervor, in dem er Nullenbruchs Nummer sofort entdeckte.
Telefongespräche dieser Art pflegte er direkt zu führen – ohne sich von seiner Vorzimmerdame
verbinden zu lassen.
    Nach dem dritten Rufton meldete sich die Stimme
einer jungen Frau, deren Namen er nicht verstand, die aber artig den deutschen Telefon-Standard-Text
gebrauchte und fragte: »Was kann ich für Sie tun?«
    Dümmliches Geschwätz, dachte Gangolf. Wo immer
er anrief, wurde er mit dieser Floskel konfrontiert. Irgendein hoch dotierter Unternehmensberater
hatte diese Art, sich am Telefon zu melden, wohl mal als besonders freundliche Formulierung
in die Welt gesetzt – und seither wurde dies landauf, landab nachgeplappert.
    »Sie können nichts für mich tun«, sagte der
Ministerialdirektor deshalb unfreundlich, »ich hätt gern Herrn Nullenbruch gesprochen.«
    »Tut mir leid«, säuselte eine junge Frauenstimme,
»Herr Nullenbruch ist auf Geschäftsreise. Aber ich kann Sie mit Frau Siller verbinden.«
    Er überlegte einen kurzen Moment. Fast zu lange, denn die Stimme fragte
nach: »Entschuldigen Sie, sind Sie noch dran?«
    »Ja – ja«, antwortete der Mann und spielte
nervös am Kabel. »Aber sie brauchen mich nicht zu verbinden. Danke. Recht schönen
Dank.« Dann legte er auf, blätterte erneut in seinem Notizbuch und war froh, Nullenbruchs
Handynummer notiert zu haben. Er drückte sie in die Tastatur – doch statt eines
Ruftons blieb die Leitung zunächst still. Schließlich teilte die Allerweltsstimme
mit, dass der Angerufene derzeit nicht erreichbar sei.
    Gangolf warf den Hörer verärgert in die Halterung,
nahm ihn aber gleich wieder heraus, um über die gespeicherte Schnellwahl-Nummern
eine neue Verbindung anzuwählen. Es war Liebensteins Nummer. Nachdem dieser sich
gemeldet hatte, kam Gangolf ohne Begrüßung gleich zur Sache: »Wo sind Sie?«
    »Auf dem Weg zu Michael Rambusch in Aalen.«
    Der Ministerialdirektor stellte sich in Gedanken
die Landkarte Süddeutschlands vor. Wo genau diese Stadt war, hätte er nicht auf
Anhieb sagen können. Aber Rambusch kannte er natürlich – einer der wichtigsten Männer
in diesem Vorhaben. »Alles okay?«, fragte er deshalb.
    »Alles okay«, entgegnete Liebenstein.
    »Hören Sie zu. Sie müssen – so lange Sie da
unten sind – im Kreis Göppingen noch was erledigen. Im Wahlkreis von diesem Riegert
– Sie wissen, es ist dieser sportpolitische Sprecher. Am besten, Sie rufen mich
an, wenn Sie bei Rambusch fertig sind. Aber richten Sie sich auf eine

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