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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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vertreten.« Obermayer hatte jetzt die richtige Seite in seinem
Schnellhefter gefunden, wollte aber die Aufzählung der bedeutenden Politiker in
seiner Heimat trotzdem fortsetzen. »Und denken Sie an Roman Herzog, den früheren
Bundespräsidenten. Der war zuvor nicht nur Innenminister von Baden-Württemberg,
sondern auch Landtagsabgeordneter für den Kreis Göppingen.«
    Das hatte Gangolf bislang nicht gewusst.
    »Fast scheint es so, als ob jeder, der was
auf sich hält, einmal bei uns tätig gewesen ist«, grinste Obermayer, »auch Ihr Walter
Riester, das müssten Sie doch wissen, hat seine politische Karriere bei uns begonnen,
genau genommen in Geislingen – als Gewerkschaftssekretär der IG Metall. Als er dann
Arbeitsminister wurde, hat er für den Kreis Göppingen in den Bundestag kandidiert
– und ist über einen sicheren Landeslistenplatz reingerutscht. Und jetzt, im September,
kandidiert er sogar wieder. Aber …« Obermayer überlegte, »… aber das war wohl eher eine Verlegenheitslösung,
weil die Genossen so schnell keinen anderen gefunden hätten.«
    »Aber der gute Listenplatz wird’s schon richten«,
kommentierte der Ministerialdirektor und fügte süffisant hinzu: »Anders haben ja
die Roten bei euch da unten sowieso keine Chance.«
    »Sagen Sie das nicht«, entgegnete Obermayer,
»ich hoffe, Ihnen sagt der Name Frieder Birzele etwas. Der war während der Großen
Koalition in Baden-Württemberg der Innenminister – und ist heute noch einer der
Vize-Landtagspräsidenten. Auch einer von uns aus Göppingen.«
    »Ich bin geplättet«, zeigte sich Gangolf über
so viel Lokalpatriotismus überrascht, ohne jedoch eine gewisse Ironie verbergen
zu können. »Dann kann man ja gespannt sein, wann Sie mal einen Bundeskanzler stellen …«
    Obermayer reagierte auf diese Bemerkung nicht.
»Also, zur Sache«, mahnte er, »jedenfalls entpuppt sich Ihr Kontakt in unseren Bereich
als Glücksfall, das kann man so sagen.«
    »Was ist mit Hundt?«, hakte der Vertreter des
Wirtschaftsministeriums nach. Ihm war nicht entgangen, dass sein Besucher bei der
Aufzählung der Prominenten diesen Namen ausgespart hatte. Schließlich war Arbeitgeberpräsident
Dr. Dieter Hundt mit seinem Betrieb ebenfalls in diesem Kreis Göppingen ansässig.
    »Nichts – wieso?«, gab Obermayer knapp zurück,
»Hundt ist von uns in die nächsthöhere Ebene eingestuft, die außen vor bleiben muss.«
    »Da ist mir schon klar«, erwiderte Gangolf
leicht gereizt, »ich dachte ja nur, dass er auch in die Galerie Ihrer bedeutenden
Persönlichkeiten gehört.«
    »Also«, wechselte der Gast das Thema, »wir
haben bereits in jedem Land, das in Frage kommt ›Kontaktpersonen‹ angeworben – teilweise
sogar hochrangige Persönlichkeiten.« Obermayer lächelte. »Die Leute vom Auswärtigen
Amt kennen sich aus …«
    Gangolf musste zwangsläufig an Außenminister
Joschka Fischers jüngste Visa-Affäre denken, mit der – wie die Opposition es kritisiert
hatte – ein illegaler Einreise-Schub aus dem Südosten ausgelöst worden war. »Und
die Organisation da unten …« Er überlegte
und deutete mit dem Kopf in irgendeine Richtung, die wohl nach Osten zielen sollte,
»… die ist zuverlässig? Ich meine, sie entzieht sich unseres Zugriffs, wie Sie wissen.«
    Obermayer runzelte die Stirn. »Sie dürfen nicht
übersehen«, entgegnete er, »der Aufbau der Strukturen ist nicht meine Aufgabe –
und damit will ich auch nichts zu tun haben. Aufgabenteilung – Sie verstehen. Aber
dass die Fäden letztlich nicht in unserem Staatsgebiet gesponnen werden, halte ich
nach wie vor für ein ideales, um nicht zu sagen geniales Konstrukt.«
    Gangolf schien nachzudenken. Er kniff für einen
Moment die Lippen zusammen, um sich dann ein weiteres Bild von der aktuellen Lage
zu verschaffen. »Lanski«, sagte er plötzlich, »dieser Lanski, was ist von dem zu
halten? Verspricht er das, was wir uns von ihm erhofft haben?«
    Der Angesprochene lehnte sich in dem Polstersessel
zurück. »Er hat gestern in Stuttgart einen guten Eindruck hinterlassen, keine Frage.
Und er kennt Gott und die Welt.«
    »Vor allem den Klinsmann«, brachte der Ministerialdirektor
sein Anliegen auf den Punkt. »Wie schätzen Sie das ein?«
    »Klinsmann gehört zur nächsthöheren Ebene«,
stellte Obermayer auch in diesem Fall fest, »ein grundehrlicher Kerl. Strahlemann
und Optimist. Wir müssen den Kontakt zu ihm halten, ihn aber unter keinen Umständen
in irgendeiner Weise Verdacht schöpfen lassen.

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