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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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nickte. »Okay. Aber das Beispiel
zeigt uns, wie diese Vereine heutzutage geführt werden. Was heißt da schon ›Vereine‹?«
Der Besucher zuckte mit den Schultern. »Man stellt sich fälschlicherweise einen
Fußballclub vor, wie man ihn von der eigenen Jugend her kennt: Jungs aus der eigenen
Gemeinde oder aus der Stadt, die voll Lokalpatriotismus für ihre Ideale kämpfen
– für ihre Mannschaft, ihren Verein.« Liebenstein lehnte sich zurück und bekam die
wenig körpergerechte Couch zu spüren. »Vergessen Sie’s …« Er winkte ab. »Bundesliga-Vereine sind gigantische,
von Managern geführte Unternehmen. Das Personal, sprich die Spieler, wird auf dem
freien Markt angeworben, eingekauft – und wieder entlassen. Schauen Sie sich doch
bloß mal um, welcher Spieler vom VfB Stuttgart tatsächlich aus Stuttgart kommt.
Oder in München oder in Hamburg, egal wo. Gerade jetzt ist doch das Vertragskarussell
wieder am Laufen. Kuranyi und so. Geht er jetzt zu Schalke oder nicht – oder was?
Nein, Herr Rambusch, dieses Idyll von der lokalpatriotischen Mannschaft mag’s zwar
in den Kreisligen – oder wie das heißt – noch geben, aber weiter oben hört das auf.«
    Der Unternehmer nickte. »Aber die Fans im Stadion
haben diesen Lokalpatriotismus noch.«
    »Gott sei Dank«, meinte Liebenstein, »für viele
von ihnen ist es sogar die einzige Abwechslung in einer tristen Arbeitswoche. Und
der Tabellenplatz ihres Vereins ist ihnen wichtiger als alle Politik, die in Berlin
gemacht wird.«
    Über Rambuschs gut rasiertes Gesicht huschte
ein Lächeln. »Das muss aus Sicht der Politiker ja nicht mal schlecht sein.«
    Liebenstein tat so, als ob er diese Bemerkung
nicht verstanden habe, sondern brachte einen anderen Punkt ins Gespräch. »Unvorstellbar
auch die Unsummen, die mit den Übertragungsrechten fließen – was schließlich eng
mit der Werbung zusammenhängt. Was glauben Sie, was ›Bitburger‹ oder ›Obi‹ für die
paar Sekunden hinblättern, während denen vor dem Spiel, in der Halbzeit und hinterher
ihre Firmenlogos auf dem Bildschirm erscheinen? Unsummen, das sag ich Ihnen, Herr
Rambusch. Und die Einschaltquoten im Juni werden alles bisher da Gewesene in den
Schatten stellen. Wollen wir wetten?«
    Rambusch schüttelte den Kopf. »Lieber nicht.
Was Werbung anbelangt, sind mir die Dimensionen klar. Und um ehrlich zu sein – da
geht mir manches gegen den Strich. Wissen Sie, was ich manchmal glaube?« Er erwartete
keine Antwort, sondern gab sie sich selbst: »Dass sich mancher Spieler zielgerichtet
vor der großen ›Obi‹-Bandenwerbung fallen lässt und einige Sekunden den Schwerverletzten
mimt. Glauben Sie mir, das tut der nur, um auf diese Weise die drei Buchstaben ins
Fernsehbild zu bringen. Sekunden später rennt der angeblich verletzte Spieler wieder
wie ein Hase und kriegt für seine Werbedienste hinterher womöglich Provision.«
    Liebenstein lachte laut auf. »Bandenwerbung
ist ein Riesengeschäft, natürlich. Man hat schließlich nicht umsonst vor einigen
Jahren die Wechselbänder eingeführt. Alle paar Minuten drehen sich andere Firmenlogos
ins Bild – das ist Ihnen sicher schon aufgefallen. Abgerechnet wird übrigens tatsächlich
nach der Zeit, während der die einzelnen Werbungen im Fernsehen zu sehen sind.«
    »Ich frag mich manchmal, was das alles noch
mit Sport zu tun hat«, sinnierte Rambusch, »vor allem auch, wenn in der Halbzeit
oder nach dem Spiel der Herr Netzer oder der Herr Beckenbauer oder wie die selbst
ernannten Experten alle so heißen, jeden Spielzug analysieren, bewerten und kommentieren
und sogar zu wissen glauben, was der einzelne Spieler sich in diesem oder jenem
Moment gedacht hat. Oder wenn ich an diese dümmlichen Interviews gleich nach dem
Abpfiff denke, wenn den verschwitzten und erschöpften Akteuren sofort ein Mikrofon
unter die Nase gehalten wird. Dabei sind die Antworten mit Sicherheit einstudiert
– und drehen sich im Kreis. Ich wart schon drauf, bis sie den Spielern während dem
Kick Ohrhörer und Pilotenmikrofon umhängen, um sie gleich live bei jedem Spielzug
interviewen zu können.« Rambusch grinste und äffte den Reporter nach: »Hallo, Herr
Ballack, Sie dribbeln gerade aufs Tor zu. Was denkt man in dieser Situation? Oder:
Hallo, Herr Kahn, beschreiben Sie uns kurz die Angst des Tormanns vor dem Elfmeter?«
    Liebenstein amüsierte sich. »Nichts ist unmöglich,
heißt es. Jedenfalls sind wir uns in der Einschätzung einig, dass nichts anderes
in diesem Land die

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