Schusslinie
mich
in seinen geschäftlichen Dingen nicht aus, aber man könnte nachsehen.«
»Sie würden uns das gestatten?«, fragte Häberle
zaghaft. »Computer, Datenträger, Akten?«
Sie schaute den Kommissar verwundert an. »Warum
denn nicht? Wir haben sicher keine Geheimnisse.«
Häberle zuckte mit den Schultern. »Ihr Mann
hat sich unter dem Namen Beierlein hier in Geislingen ein Hotelzimmer reservieren
lassen. Das gibt doch einige Rätsel auf.«
»Hat er das?«, vergewisserte sie sich.
»Ja, das ist sicher«, nickte der Chef-Ermittler,
»wir wissen nur noch nicht, warum. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
Irene Lanski fingerte nervös an den Riemen
der Handtasche.
»Keine, nein«, erwiderte sie, »keine Erklärung.
Ist mir ein Rätsel.«
»Und was er ausgerechnet hier in der Provinz
wollte, gibt für Sie auch keinen Sinn?«
Ȇberhaupt nicht. Ich versteh das alles nicht.
Fast ist es so, als sei das gar nicht mein Mann gewesen …« Sie begann zu schluchzen. »Und doch ist
er es.«
»Hatte er denn noch Kontakte? Er stammt schließlich
von hier.«
»Wir waren schon sieben, acht Jahre nicht mehr
hier. Nein, da gab es keine Kontakte mehr«, antwortete sie und schnäuzte in ihr
Papiertaschentuch. »Entschuldigen Sie bitte.« Häberle nickte verständnisvoll.
»Seine Kumpel von damals«, fuhr sie fort, »als
er aktiv gespielt hat, sind inzwischen in alle Winde zerstreut.« Und nach kurzer
Pause: »Fußballer eben. Viele von ihnen haben Karriere gemacht. Das Eybacher Tal
galt doch damals als Fußballer-Schmiede.« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Denken Sie an Klinsmann.«
»Und Kontakte in die weitere Umgebung? In den
Großraum Stuttgart oder München oder Bodensee?« Häberle blieb hartnäckig, konnte
dies aber mit seiner sonoren, beruhigenden Stimme überspielen.
Die Frau schien nachzudenken. »Mein Gott«,
sagte sie, »dass es den einen oder anderen noch gab, das mag schon sein. Wenn ich
mich nicht irre, ja, dann war da wohl irgend so ein Unternehmer, mit dem er mal
Geschäfte gemacht hat – oder machen wollte.
Aber nicht in Geislingen.«
»Sondern?«, wurde Häberle hellhörig, ohne sich
dies jedoch anmerken zu lassen.
»Wenn ich das wüsste …«
»Könnte es in Göppingen gewesen sein?« Der
Kommissar hatte eine Idee.
Irene Lanski zuckte mit den Schultern. »Könnte
sein – jedenfalls irgendwo hier im Süden.«
»Und … welcher Art waren die Geschäfte, die er dort gemacht hat?«
»Ich weiß nur, dass es vor eineinhalb oder
zwei Jahren begonnen hat. Es sollten irgendwelche Beteiligungen sein. Aber fragen
Sie mich bitte nicht, wobei. Ich hab mich um die Geschäfte meines Mannes nicht gekümmert.«
»Hat er denn gut verdient?«
»Das hing von vielerlei Faktoren ab«, erklärte
die Frau, während sie sich eine Locke aus der Stirn streifte, »manchmal sehr gut,
dann gab’s Monate, da kam so gut wie nichts rein. Das war besonders hart. Als Selbstständiger
müssen Sie alle Sozialabgaben selbst bezahlen.«
Häberle nickte verständnisvoll.
»Und …« Er suchte nach passenden Worten, » … so etwas wie einen Todfeind gab es nicht?«
»Keine Ahnung.« Ihre blauen Augen wurden wieder
feucht. »Er war ein herzensguter Mensch, müssen Sie wissen. Wer tut denn so was?«
Sie schluchzte.
»Ich lass Sie jetzt gleich in Ruhe, Frau Lanski«,
beruhigte Häberle die Frau, während sie wieder in ihr Taschentuch schnäuzte. »Sie
können gerne ein paar Minuten an die frische Luft gehen, bevor sich mein Kollege
um Sie kümmert. Ich hätte nur gerne noch eines gewusst: Sagt Ihnen die Stadt Košice
etwas?«
Frau Lanski sah den Kommissar irritiert an.
Er hatte den Eindruck, als sei sie erschrocken. »Wie sagten Sie?«, fragte sie nach.
»Košice. Liegt in der Slowakei«, erklärte der
Chef-Ermittler. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nie gehört. Wirklich nicht.«
Liebenstein hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Die Horrormeldungen
waren gestern Abend nur so über ihn hereingebrochen. Zuerst die Nachricht, dass
Lanski verschwunden sei, dann Beierleins Hinweis, dass er wohl tot sei – und nun
war offenbar auch der Kontakt zu diesem Nullenbruch abgebrochen. So sehr Liebenstein
auch darüber nachdachte, kombinierte und überlegte, er kam zu keinem Ergebnis. So
weit ihm bekannt war, hatten Lanski und dieser Unternehmer überhaupt keine Kontakte
– schon gar nicht in dieser Sache.
Gangolf hatte natürlich Recht: Wenn sich in
Lanskis verschwundenem Koffer brisante Unterlagen befanden – und
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