Schusslinie
Der Kommissar überlegte, »… diesen Striebel oder so ähnlich.«
Linkohr hatte die Aufgabe gehabt, sich über
diese Person zu informieren. Er blätterte in einem kleinformatigen Notizblock. »Ich
hab mit seiner Frau telefoniert. Der ist mit einem Freund namens Kromer auf der
Rückfahrt. Sie kommen heut Abend um 21.49 Uhr am Bahnhof Göppingen an und werden
dort von Frau Striebel abgeholt. Die Striebels wohnen draußen in Aichelberg, der
Kromer in Dürnau, gleich ums Eck.«
»Und dieser Kromer, wer ist das?«
»Ein gewisser Rainer Kromer. Beide sind Unternehmer.
Striebel macht auf Heizöl – das heißt, sein Sohn macht das inzwischen. Er ist eigentlich
Rentner. Und dieser Kromer ist Verleger – stellt Werbematerial und Broschüren her«,
las Linkohr von seinem Block.
»Hat die Frau Striebel gesagt, was die beiden
in diesem Nest in der Slowakei getan haben?«
Linkohr zuckte mit den Schultern. »So genau
nicht. Auch die Frau Kromer hat sich nicht detailliert geäußert.« Der junge Kriminalist
sah seinen Chef ratlos an. »Irgendwelche Investitionen seien’s – naja, wer spricht
schon gern drüber, wenn er seinen Gewinn hierzulande irgendwo in Sicherheit bringen
will. Da wird wahrscheinlich auch eine neue Regierung im September nichts mehr ändern
können.«
Häberle nickte. Das Einzige, was diese Republik
noch zustande brachte, waren immer neue Formulare und Behörden, dachte er. Beides
hatte man jüngst wieder mal erfunden, um angeblich neue Arbeitsplätze zu schaffen.
›Job Center‹ nannte man großkotzig eine neue Behörde, die nichts weiter tat, als
sich selbst mit Bürokratismus zu lähmen. Häberle nahm sich zurück und kam wieder
auf den Punkt: »Die beiden müssen wir nach der Ankunft sofort unter die Lupe nehmen.
Ich will wissen, was der Striebel mit Lanski zu tun hatte.«
»Ich hab mir notiert, wann der Zug in Göppingen
eintrifft.«
Häberle lächelte. »Eintreffen sollte, Herr
Kollege. Fahrpläne der Bahn sind neuerdings nur noch dazu da, Verspätungen besser
ausrechnen zu können.«
»Dann hab ich mir von den Telefongesellschaften
noch eine Skizze mailen lassen, die den Einzugsbereich jener Funkzelle zeigt, in
der sich das Handy Lanskis zuletzt eingeloggt hat«, berichtete Linkohr stolz und
faltete einen Ausdruck auseinander, den er auf dem Tisch glatt strich. Es war eine
grobe Landkarte, die den Großraum Göppingen skizzierte. Eine schraffierte ovale
Fläche zog sich vom südöstlichen Stadtrand bis nahezu ganz an die Hänge der Schwäbischen
Alb hinüber. »Der Sender steht auf dem Wasserturm bei der Klinik am Eichert oben.
In diesem flachen Gebiet reichen die Funkwellen relativ weit«, kommentierte der
Jungkriminalist. »Wir haben hier Holzheim, Ursenwang, Schlat – da drüben Sankt Gotthard,
Eschenbach, das Müllheizkraftwerk, die Klinik und diese Industrieansiedlung.« Er
deutete mit dem Kugelschreiber auf die genannten Örtlichkeiten. »Es könnten auch
noch Bad Boll, Dürnau und Aichelberg, zumindest die höher gelegeneren Gebiete, in
Frage kommen.«
Häberle interpretierte: »Irgendwo in diesem
Oval«, er zeigte auf die schraffierte Fläche, »hat unser Mörder also seine letzte
Spur hinterlassen.«
Linkohr sah es genauso, gab aber zu bedenken:
»Er kann sie aber auch bei der Durchfahrt durch dieses Gebiet hinterlassen haben
– hinüber zur Autobahn-Anschlussstelle Aichelberg. Vermutlich ist dann aber der
Akku leer geworden. Oder es wurde bewusst abgeschaltet.«
Der Kommissar dachte nach. Diese Methode der
Ortung per Handy hatte ihm schon oft geholfen. »Wissen wir auch detailliert, wie
das Handy in diese Funkzellen gekommen ist?«
»Klar«, entgegnete sein Kollege und blätterte
wieder in seinem Notizblock, »es war bis 22.49 Uhr in einer Geislinger Funkzelle
eingeloggt und hat sich dann in kurzen Abständen durch mehrere Zellen in Richtung
Göppingen bewegt. Ab 23.22 Uhr war’s dann die restliche Nacht und den Vormittag
über in unserem Oval hier …« Wieder deutete
Linkohr auf die Skizze. »Darin hat Striebel dann um 12.14 Uhr eine Spur hinterlassen
– und wenig später ist das Handy vom Netz.«
»Wie Spuren im Schnee«, meinte Häberle zufrieden.
»Und wie sieht’s vor der Tat aus?«
»Alles geklärt«, erwiderte Linkohr stolz und
blättert zur nächsten Seite seines Blocks. »Er hat sich ab etwa 18.30 Uhr von Stuttgart
her bewegt – ganz offensichtlich der Bahnstrecke entlang. Er muss etwa eine Stunde
später Geislingen erreicht haben. Dann war sein Handy
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