Schusslinie
ununterbrochen bis 22.49 Uhr
in dieser einen Geislinger Funkzelle eingeloggt.«
»Und das wiederum bedeutet, dass er mit seinem
Mörder eine Zeit lang zusammen war«, kombinierte Häberle, »welchen Bereich deckt
diese Funkzelle denn ab?«
Wieder brachte Linkohr einen Ausdruck hervor.
Diesmal handelte es sich um eine Skizze, auf der die Umgebung der Stadt Geislingen
zu sehen war. »Hier ist die Topografie für den Mobilfunk schwieriger«, erklärte
er, »enge Tallage. Das bedeutet kleine Funkzellen. Diese hier deckt aber trotzdem
einen Großteil des Talkessels ab, östlich jedenfalls – und sie strahlt ein Stück
weit in das Eybacher Tal hinein. Etwa bis zu den Sportplätzen da draußen.«
Häberle fühlte sich bestätigt: »Dachte ich
mir’s doch. Dieser Lanski hat da draußen jemanden getroffen – jemanden, den er aus
seiner aktiven Zeit als Fußballer kennt. Er hat die Gelegenheit wahrgenommen, seinen
geschäftlichen Termin in Stuttgart mit einem Abstecher hierher zu verbinden.«
Linkohr zögerte, wagte dann aber doch die Frage:
»Sie meinen … ihn hat die Vergangenheit
eingeholt?«
23
Harry Obermayer war am frühen Abend in Stuttgart-Echterdingen gelandet.
Was er noch vor dem Abflug in Berlin telefonisch erfahren hatte, ließ auf große
Unruhe schließen. Nervosität machte sich breit. Auch Harald Gangolf war von der
Entwicklung alles andere als erbaut gewesen. Hinzu kam, dass sich im politischen
Berlin die Ereignisse überschlugen. Und auch die Welt der Sportler schien in Aufruhr
zu geraten. Der so genannte Confederations-Cup stand bevor, diese Mini-WM, bei der
sich die besten Nationalmannschaften ihrer jeweiligen Kontinente miteinander maßen.
Dass der Wettbewerb in Deutschland und mit Beteiligung der Nationalelf stattfand,
hatte man der Gastgeberrolle für die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr zu verdanken.
Vor dem Confederations-Cup, der in zwei Wochen begann, wollten die deutschen Fußballer
noch zwei Spiele absolvieren – und möglichst gewinnen: Am bevorstehenden Wochenende
gegen Nordirland und drei Tage später gegen Russland.
Jetzt, das dachte Obermayer, als ihn das Taxi
durch diesen trüben Junitag hinüber ins Remstal brachte, durfte nichts mehr geschehen,
was den deutschen Fußball in ein negatives Licht rückte. So eine Panne, wie jene
bei der Eröffnung der Allianz-Arena, als diese Sarah Connor zum Gespött der halben
Welt den Text der Nationalhymne vergaß und irgendetwas von einer Brühwurst oder
so trällerte, konnte man sich nicht mehr leisten.
Ein großes Fußball-Volksfest sollte diese WM
werden, die in ziemlich genau einem Jahr eröffnet werden würde. Und Bundestrainer
Jürgen Klinsmann war der ideale Mann an der Spitze der Nationalelf. Ein strahlender
Optimist. Ein Mann, der Aufbruchstimmung verkörperte, der stets nach vorne sah,
zielstrebig. Einer, der den Teamgeist beschwor, der wie kein anderer in der Lage
war, den Karren aus dem Jammertal zu ziehen. Obermayer gefiel von Mal zu Mal mehr,
wie es Klinsmann in den Interviews nach dem Spiel verstand, seine Botschaft millionenfach
ins Land hinaus zu vermitteln: Leute, macht mit, krempelt die Ärmel auf, wir packen’s.
Solche Personen würde sich Obermayer für die Politik wünschen. Doch da war weit
und breit niemand, dem eine solche Rolle zuzuschreiben gewesen wäre. Nicht dem arroganten
Redner Schröder, schon gar nicht dem kläffenden Bluthund Müntefering, aber eben
auch nicht der weinerlich wirkenden Angela Merkel. Insgeheim bedauerte Obermayer,
dass es mit seinem Einstieg in die große Politik nie so richtig geklappt hat.
»Ich bin in großer Sorge«, kam Edgar Pfisterer
gleich zur Sache. Er hatte seinem abendlichen Besucher einen Platz in einem der
wuchtigen Sessel angeboten, »ich und meine Kollegen«, ergänzte er.
Obermayer sah durch ein großes Terrassenfenster
auf die Dächer von Grunbach hinab. Das Gesicht seines Gegenübers war finster und
ernst, die Stirn zerfurcht und das dünne weiße Haar nicht gekämmt.
»Herr Gangolf lässt Sie grüßen«, begann Obermayer
und versuchte, entspannt zu wirken. »Er sieht keinen Grund zur Sorge.«
Pfisterer stieß einen tiefen Seufzer aus. »Keine
Sorge! Da wird einer aus … aus unseren Reihen
umgebracht und wir sollen uns nicht sorgen?« Seine Stimme wurde laut und zitterte.
»Herr Obermayer, fangen Sie jetzt nicht auch noch an, die Sache schön zu reden!
Lanski tot – und wenn ich unseren Freund Nullenbruch anrufe, ist entweder die Mailbox
dran oder man sagt mir,
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