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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Eigentlich noch echte Amateure.« Er schaute Beierlein
von der Seite an. »Amateure, die letztlich über das Wohlergehen von Millionären
entscheiden. Eine rote Karte beispielsweise kann für einen Profi weit reichende,
ja, auch wirtschaftliche Folgen haben.«
    Der rührt mich zu Tränen, dachte Häberle und
versuchte sich vorzustellen, wie lange er arbeiten musste, um auch nur annähernd
auf jenen Betrag zu kommen, den ein erfolgreicher Kicker für ein einziges entscheidendes
Spiel kassierte. Doch er ließ sich nichts anmerken, sondern blätterte eher beiläufig
in dem Schnellhefter. »Und dieser Lanski. War der auch … Schiedsrichter?«
    Wieder antwortete nur der Jurist: »Nein, er
ist Sportartikel-Großhändler. Jetzt auch Fan-Artikel müssen Sie wissen. Was glauben
Sie, was demnächst in dieser Richtung abgeht! Maskottchen und so. Diese WM wird
alles jemals in Deutschland da Gewesene in den Schatten stellen. Dagegen war jene
von 1974 nichts weiter als ein größeres C-Klasse-Turnier. Denken Sie nur an die
vielen Medien, die es damals noch gar nicht gab.«
    Häberle wollte sich nicht ablenken lassen.
»Wenn ich nun davon ausgehe, dass die meisten der Herren, die sich am Montag in
Stuttgart getroffen haben, also in keinem direkten geschäftlichen Kontakt zu Ihrem
Mandanten stehen – welchen Zweck hatte dann das Meeting am Bahnhof?«
    Der Jurist lächelte überheblich. Mit dieser
Frage hatte er natürlich gerechnet. »Herr Beierlein nutzt seine Kontakte, die er
als Funktionär innerhalb des Württembergischen Fußballbundes bis ganz nach oben
hat, um über verschiedene Kanäle ins Geschäft zu kommen. Das ist ganz legitim. Gerade
Schiedsrichter, die unabhängig sind und denen man nicht vorwerfen kann, für jemanden
Partei zu ergreifen, können in ihren jeweiligen Heimatländern eine gewisse Botschaftsfunktion
übernehmen.« Der Anwalt sprach betont langsam. Es klang überzeugend. »Eine Botschaftsfunktion
für Artikel ›made in Germany‹, für Sportartikel natürlich.«
    Häberle konnte sich nicht zurückhalten: »Vermutlich
weniger ›made in Germany‹, als gehandelt in Germany. Das Zeug kommt doch alles aus
Korea oder China.«
    Beierlein wollte etwas sagen, doch sein Anwalt
fasste ihn am Unterarm und bedeutete ihm ruhig zu bleiben. »Sie mögen zu einem gewissen
Grad Recht haben, Herr Häberle, aber auch der reine Handel spült Geld in deutsche
Kassen«, argumentierte der Jurist. Der Ermittler wollte sich auf keine Diskussion
einlassen, sondern lenkte das Gespräch wieder auf den Punkt: »Und diese Herren,
diese Botschafter, wie Sie es formulieren, die öffnen dem Herrn Beierlein sozusagen
Tür und Tor.«
    »Ja«, der Anwalt schien über Häberles Erkenntnis
erleichtert zu sein, »so könnte man es ausdrücken.«
    »Und wer hat sonst noch an dem Treffen teilgenommen?«,
hakte der Kommissar nach und nahm Beierlein ins Visier. Der fühlte sich von den
Blicken sichtlich unwohl.
    »Niemand«, antwortete der Jurist und schaute
seinen Mandanten prüfend von der Seite an. »Niemand, wer denn sonst?«
    Häberle zuckte mit den Schultern. »War nur
so eine Frage – es könnte doch
sein, oder?«

22
     
    Als sich der Zug, der in weitem Bogen am Südrand der Hohen Tatra entlang
rauschte, auf Bratislava zu bewegte, war es mit der Sonne vorbei. Je näher sie Mitteleuropa
kamen, desto schlechter würde das Wetter werden.
    Das Papierknäuel, das Martin Striebel glatt
gestrichen hatte, war ein kariertes DIN-A-4-Blatt, das ziemlich unsanft von einem
Block gerissen worden war. Rainer Kromer verfolgte wortlos, wie sein älterer Freund
die Handschrift überflog, die sich auf dem Papier befand. »Schau dir das an«, entfuhr
es Striebel, der sich vorsichtig und unauffällig umblickte und das Blatt seinem
gegenüber sitzenden Kollegen weiter reichte, »die besitzen die Frechheit und bespitzeln
uns sogar hier im Zug.«
    Kromer las, was da grammatikalisch falsch und
mit Rechtschreibfehlern stand: »Warnung: Kein Verrat, kein Polizei. Sonst Tod mit
Frau.«
    Der Jüngere spürte, wie ihm das Blut aus allen
Gliedern wich. Er starrte viel länger, als es notwendig gewesen wäre, auf das zerknitterte
Blatt. »Die drohen uns«, war alles, was er zu sagen vermochte.
    »Drohen«, wiederholte sein Gegenüber, dem die
Adern an den Schläfen bedrohlich schwollen. »Das ist viel mehr. Das ist eine Morddrohung,
verstehst? Gegen uns und unsere Frauen.« Er hatte Mühe, sein lautes Organ zu bändigen.
Aber das gleichmäßige Rauschen der Räder

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