Schusslinie
er sei auf Dienstreise, wo man ihn nicht erreichen könne.«
»Dabei dürfte es sich um ein zufälliges Zusammentreffen
zweier Ereignisse handeln, die nichts miteinander zu tun haben«, formulierte Obermayer
vorsichtig.
»Das behaupten Sie!«, wurde Pfisterer ärgerlich
und strich sich mit der Hand durchs dünne Kopfhaar. »Nur dürfte eines klar sein
– wenn Nullenbruch etwas zugestoßen ist oder wenn er gar selbst mit dem Mord an
Lanski etwas zu tun hat, dann sind wir alle am Arsch.«
So vulgär hatte Obermayer den Mann noch nie
reden hören. »Selbst wenn dem so wäre«, entgegnete er deshalb gelassen, »dann würde
kein Ermittler dieser Welt bis zum Kern der Organisation vordringen.«
»Ermittler?« Allein schon dieses Wort schien
Pfisterer wie ein Blitz getroffen zu haben. »Was heißt da Ermittler? Sie rechnen
also doch damit, dass uns die Polizei unangenehme Fragen stellen könnte.«
Obermayer ließ seinen Blick über die ziemlich
monumental wirkende Schrankwand schweifen, in der dicke Wälzer zur wirtschaftlichen
Lage aufgereiht waren. »Ich verstehe Ihre Aufregung nicht ganz«, entgegnete er langsam,
»wir tun nichts Ungesetzliches. Sie nicht – und ich nicht. Ich will nur das Beste
für die Politik in diesem Lande – und Sie für Ihre Kollegen der Wirtschaft.«
»Aber dieser Lanski hatte doch Akten dabei«,
warf Pfisterer ein. »Was ist damit? Sind die Unterlagen bei der Polizei?«
Das war in der Tat ein Risiko, musste Obermayer
insgeheim einräumen, ohne es auszusprechen. »Ich hab bisher nichts davon gehört.
Aber es gibt so gut wie keine schriftlichen Dokumente. Sollte dennoch etwas in fremde
Hände gelangt sein, dürfte niemand etwas damit anzufangen wissen.«
»Aber Beierlein hat bereits eine Aussage machen
müssen …« Pfisterer war
von ihm informiert worden.
Auch Obermayer wusste davon. »Sein Anwalt hat
keine andere Möglichkeit gesehen, als die Namen einiger unserer Leute zu nennen
– als Geschäftspartner natürlich. Rambusch und ich sind aber außen vor geblieben.«
Pfisterer holte tief Luft und schwieg.
»Und Ihr Bereich sowieso«, beruhigte ihn Obermayer,
um dann zur eigentlichen Sache zu kommen: »Dennoch halte ich es für ratsam, die
weitere Vorgehensweise abzustimmen.«
»Ja«, zeigte sich der Hausherr erleichtert,
»meine Kollegen wollen Klarheit.«
»Also«, begann der Gast und griff zu seinem
Aktenkoffer, »oberste Prämisse ist: Wir machen weiter. Wir brauchen nämlich wesentlich
mehr Geld, als wir ursprünglich vermutet hatten.«
Häberle hatte noch kurz mit dem örtlichen Journalisten Georg Sander
telefoniert, der sich mal wieder nicht mit den dürren Worten von Polizei-Pressesprecher
Uli Stock zufrieden geben wollte. Doch auch der Kommissar konnte keine weiteren
Details preisgeben. Er versicherte, dass es keinerlei konkreten Spuren gebe und
man weiterhin auf mögliche Zeugen angewiesen sei, die in der Nacht zu gestern im
Bereich des besagten Bahndamms verdächtige Beobachtungen gemacht hätten. Sander
war hörbar unzufrieden, ließ sich dann aber auf morgen vertrösten.
Häberle musste sich selbst eingestehen, dass
die Spurenlage nicht gerade viel versprechend war. Inzwischen hatten die Kollegen
der Sonderkommission über Interpol und ausländische Dienststellen die Vernehmungen
jener Schiedsrichter veranlasst, die bei diesem Meeting im Stuttgarter Bahnhof gewesen
waren. Von einem lag bereits eine Aussage vor – aber mehr, als dass es sich um eine
Art Marketing-Treffen gehandelt habe, war von ihm nicht zu erfahren gewesen.
Dafür aber hatte Linkohr bei einer Internetrecherche
Interessantes entdeckt. »Die Namen unserer Jungs«, begann er, als er Häberles kleines
Büro betrat, »die tauchen alle auf der Liste der Schiedsrichter auf, die die FIFA
für die Weltmeisterschaft nächstes Jahr nominiert hat.«
Häberle war platt. Er nickte anerkennend. »Das
ist in der Tat interessant.« Er dachte einen Augenblick lang nach und schien die
Euphorie wieder zu verlieren. »Naja, eigentlich ist das aber auch kein Wunder. Wenn
Beierlein Repräsentanten für seine Sportartikel sucht, muss er sich an hochkarätige
Funktionäre ranmachen. Nur solche haben Beziehungen in Wirtschaftskreise.«
Linkohr stand die Enttäuschung über diese Bemerkung
ins Gesicht geschrieben.
»Welche Rückschlüsse haben Sie denn daraus
gezogen?«, fragte Häberle deshalb nach.
»Naja«, meinte Linkohr kleinlauter. »Denken
Sie doch an diesen Skandal-Schiedsrichter da in Berlin von Anfang des
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