Schusslinie
übertönte seine kräftige Stimme.
Kromer faltete den Zettel auf der Ablage sorgfältig
zusammen. »Die wollen uns zum Schweigen bringen.«
»Genau so ist es«, bekräftigte Striebel, »und
ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass wir dies verdammt ernst nehmen müssen.
Das sind keine kleinen Banditen, Rainer, das sind Profis. Und zunehmend bestätigt
dies meine Einschätzung, dass wir’s mit der Mafia zu tun haben.«
Kromer nickte sorgenvoll. »Wir sind unbewusst
in eine Sache reingeraten, von der wir keine Ahnung haben.«
»Da kannst froh sein, dass sie uns net gleich
eliminiert hab’n«, erwiderte Striebel mit bayrischem Akzent.
»Die Frage wird nur sein, was sie tun, wenn
wir wieder daheim sind«, gab Kromer zu bedenken und reichte den zusammengefalteten
Zettel seinem Kollegen, der ihn in die Innentasche seiner Freizeitjacke steckte.
»Ganz einfach: Wir sollen den Mund halten und
wenn wir das nicht tun, kriegen wir Ärger.«
»Du hast mit Sicherheit Recht«, pflichtete
ihm Kromer bei, »nur … würde das bedeuten,
dass dann auch unser Geld weg wäre. Unseres und das der anderen.«
Striebel holte tief Luft. »So schaut’s aus:
Entweder Geld oder Leben.« Er fügte resignierend hinzu: »Oder keines von beidem.«
Eva Campe war beim Friseur gewesen: keine Dauerwelle mehr, sondern
kurze, glatte Haare. Dem Abgeordneten Klaus Riegert war es sofort aufgefallen, als
sie gegen ein Uhr in seinem Büro auftauchte. Schon wieder. Irgendwie war es ihm
beinahe peinlich, zumal sich möglicherweise seine Sekretärin bereits um sein intaktes
Familienleben sorgte. Erst gestern waren sie Eis essen gewesen – und nun hatte Eva
heute bereits wieder angerufen und ein mittägliches Treffen vorgeschlagen. Riegert
hatte eingewilligt – auch im Hinblick darauf, dass er ein verlängertes Wochenende
einlegen wollte, um diese Sportler zu treffen, die ihm Wichtiges berichten wollten.
Sie gingen wieder in dasselbe Lokal. Es war
nur spärlich besetzt. Kein Wetter zum Bummeln, auch nicht für ein Eis. Sie bestellten
Cappuccino.
»Du fliegst morgen schon?« Eva knüpfte an die
Bemerkung an, die der Abgeordnete am Telefon gemacht hatte.
»Ja, der Wahlkreis ruft«, lächelte er und rührte
in seiner Tasse. »irgendeine Sache mit dem Sport.«
Sie schaute ihn interessiert an. »Da bist du
ja der Experte. Außerdem hat der Wahlkampf begonnen, stimmt’s? Ihr seid alle plötzlich
in Hektik.«
Riegert nickte müde. »Euer Schröder bringt
die Terminpläne durcheinander.«
»Und du hast daheim ein brennend heißes Thema?«
Evas Stimme klang sexy.
Riegert bemerkte dies, blieb aber sachlich.
»Wahrscheinlich muss ich wieder irgendetwas klarstellen«, erwiderte er lustlos,
»die Leute kriegen oftmals was in den falschen Hals – und dann ist helle Aufregung. Aber bevor
etwas anbrennt, macht es Sinn, gleich vor Ort mit ein paar klärenden Worten die
Wogen zu glätten.« Riegert sprach inzwischen ein nahezu akzentfreies Hochdeutsch.
Auch wie er formulierte und betonte, ließ erkennen, dass er in die Rolle des Politikers
längst hineingewachsen war. Er konnte auch geschickt die Beschlüsse verteidigen,
an denen die Konservativen beteiligt waren – wie etwa den Kompromiss zu ›Hartz IV‹,
dieser neuen Arbeitslosengeld-Regelung. Mit gewisser Sorge verfolgte er allerdings,
wie es gerade deswegen an der Basis rumorte.
Eva nahm einen Schluck Cappuccino und sah ihm
tief in die Augen. Er war für einen Moment irritiert und versuchte, seine innere
Barrikade noch ein Stück höher zu schrauben. Nein, er wollte kein Techtelmechtel
mit dieser Frau – auch wenn sie wirklich attraktiv war, wie er sich eingestehen
musste. Er würde die mittäglichen Treffen wieder reduzieren, entschied er bei sich.
»Wer macht dir denn die Hölle heiß?«, zeigte
sie sich interessiert, während sich die Tische um sie herum langsam füllten.
Auch Riegert führte die Tasse zum Mund. »Zwei
Sportfunktionäre, Heimerle und Funke – zwei ganz bekannte Namen in unserer Gegend,
musst du wissen. Multiplikatoren, wie wir Politiker sagen. Wenn du’s mit denen verscherzt,
zieht das weite Kreise. Bis runter in die kleinsten Vereine.«
»Dein Wählerpotenzial«, lächelte Eva und fuhr
ihm sanft über die rechte Hand.
»Und der Herr Abgeordnete verlässt Hals über
Kopf Berlin, wo ihn seine künftige Chefin, Angie, in diesen Tagen so dringend bräuchte …« stichelte sie und sprach Angela Merkels
Namen auf Englisch aus – also ›Ändschi‹.
Über Riegerts
Weitere Kostenlose Bücher