Schusslinie
Jahres. Und
an diese dubiosen Wetten-Veranstalter, die in irgendwelche Schiebereien verwickelt
waren.« Er wartete auf eine Reaktion Häberles, doch der hörte sich in Ruhe an, was
der junge Kollege noch kombiniert hatte: »Vergessen wir nicht, dass Lanski angeblich
auch mit Wettbüros zu tun hatte. Sagt der Wirt vom ›Clochard‹.«
Häberle verschränkte die Arme. Er musste unweigerlich
an einen Fall denken, der sich über viele Jahre hingezogen hatte und bei dem dieser
Linkohr letztlich ziemlich abwegigen Theorien nachgehangen war, von denen bis heute
kein Mensch so genau wusste, was nun wirklich dahinter stand. Möglicherweise waren
sie damals beide einem Trugschluss erlegen. Häberle versuchte den Gedanken daran
zu verdrängen, denn dies war mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn verbunden
gewesen, über die der cholerische Göppinger Chef noch immer brütete.
Dies alles schoss dem Kommissar im Bruchteil
einer Sekunde durch den Kopf, ehe er sein Gesicht zu einem breiten Grinsen verzog:
»Vielleicht sollten wir erst mal ans Nächstliegende denken und nicht gleich globale
Strippenzieher vermuten.«
Linkohr war irritiert. »Das Nächstliegende?«,
wiederholte er ratlos.
»Weibergeschichten«, entgegnete Häberle.
24
Isolde Striebel war eine energische Frau. Klein, zierlich, aber scharfzüngig.
Dass ihr Martin womöglich in eine dubiose Sache verwickelt sein könnte, hatte sie
längst vermutet. »Das stinkt hinten und vorne, Herr Kommissar«, ereiferte sich die
Sechzigjährige, während sie mit Häberle und Linkohr am Göppinger Bahnhof auf den
Zug aus Ulm wartete. Sie standen am Bahnsteig und fröstelten. Der Abend war kalt,
viel zu kalt für Anfang Juni.
Der Kommissar nutzte die Zeit, um der Frau
einige beiläufige Fragen zu stellen, die sie eigentlich auch schon am Telefon beantwortet
hatte. »Und es ist tatsächlich so, dass Ihr Mann und dieser Herr Kromer ganz kurzfristig
die Reise in die Slowakei unternommen haben?«
»Ja«, erwiderte Frau Striebel mit einem Unterton,
als könne sie es bis heute nicht glauben, »von jetzt auf nachher. Er hat nur gesagt,
sie müssten dringend ein paar Dinge besprechen und Verträge ändern.«
»Über diese Beteiligungen«, gab sich Häberle
wissend. Die Frau hatte dies ebenfalls am Telefon erwähnt. »Aber Sie können sich
nicht erklären, worum es da geht?«, versuchte er nachzuhaken.
»Nein, keine Ahnung, das seien alles noch Dinge
aus der Zeit, bevor er die Firma unserem Sohn überschrieben hat«, antwortete sie,
als die Lok in Sicht kam.
Die drei Personen warteten schweigend das Anhalten
des Zuges ab. Frau Striebel hatte die beiden Männer bereits an einer der Türen stehen
sehen. Sie eilte dem Waggon nach und hatte ihn wieder erreicht, als ein Mann mit
hochrotem Kopf und einem kleinen Koffer auf den Bahnsteig stieg, gefolgt von einem
zweiten, der jünger zu sein schien, wie Häberle feststellte.
Während mehrere Passagiere den Zug verließen,
begann Frau Striebel ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten, die beiden Kriminalisten
vorzustellen. Sie hatte ihren Mann auf dem Handy angerufen und ihn darauf vorbereitet,
dass sie nicht allein am Bahnhof sein würde. Martin Striebels Augen blitzten gefährlich,
sein Blutdruck ließ die Adern an den Schläfen anschwellen. Kromer hingegen schien
so zu tun, als ginge ihn das alles nichts an. Er versuchte, sich im Hintergrund
zu halten. Er stand noch tief unter dem Eindruck des Geschehens von gestern Abend.
Wenn jetzt bereits die Kripo auf sie wartete, hatten sie es tatsächlich nicht nur
mit einem simplen Betrug zu tun.
Häberle entschuldigte sich bei den beiden Ankömmlingen,
sie leider mit einigen wichtigen Fragen konfrontieren zu müssen, die im Zusammenhang
mit einem Mord stünden. Striebel und Kromer blieben wie versteinert stehen. Mord!
Nullenbruch, durchzuckte es Striebel. Kromer dachte an Jano. Waren sie in eine schreckliche
Geschichte hineingezogen worden? Unbewusst?
»Was sagen Sie da?«, stammelte Striebel, dessen
sonore Stimme schwächelte. Seine Frau war kreideweiß geworden. Der Kommissar hatte
sie am Telefon nur gefragt, wo ihr Mann sei und wann er zurück erwartet werde und
dass er ihm ein paar Routinefragen stellen müsse. Von Mord war keine Rede gewesen.
»Ich muss Sie leider bitten, mit uns ins Büro
zu kommen«, sagte Häberle ruhig. Die beiden Männer zögerten, sahen sich an und erkannten,
dass es gar keine andere Möglichkeit gab, als den Kriminalisten zu folgen. Sie luden
ihre
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