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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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großen Handelsketten Fuß gefasst
und der einst tristen Innenstadt ein buntes Erscheinungsbild verliehen, ohne alte
Strukturen zu zerstören. Ganz im Gegenteil. Den Kommunalpolitikern war es gelungen,
die liebenswerten alten Fassaden zu restaurieren und sogar historisch wertvolle
Funde zu erhalten. Das ›Slovan‹ reckte sich als Überbleibsel sozialistischer Prunkhotels
in den Himmel, war jedoch inzwischen dem modernen Standard angepasst worden. Viel
schlimmer wirkten hingegen die mehrstöckigen Plattenbauten, die an den Stadträndern
wie ein böser Albtraum die Anhöhen verunstalteten – als seien’s Stein gewordene
Zeugen jener Jahre, in denen Wohnkasernen Fortschritt symbolisierten.
    Das ›Slovan‹ war beliebter Treffpunkt der Geschäftsleute
und Geschäftemacher aus dem Ausland. Hier, in dem weitläufigen, nur mit Kunstlicht
erhellten Foyer, an das die Polstergruppen der angegliederten Bar grenzten, wurden
seit der politischen Wende unzählige Kontakte geknüpft – und wie man den Eindruck
gewinnen konnte, nicht nur geschäftlicher Art.
    In jener Ecke, die am weitesten von dem großen
Tresen der Bar entfernt war, saßen an diesem Abend drei hochgewachsene, junge Frauen,
die immer wieder die Blicke der überwiegend männlichen Gäste auf sich zogen. Die
hellblonden Damen waren äußerst sommerlich angezogen und ihre Kleidchen so kurz,
dass wirklich nur das Allernötigste bedeckt wurde. Sie hatten bereits ihre bestellte
Cola serviert bekommen und schienen in Gespräche vertieft zu sein und sich zu amüsieren.
Als eine von ihnen zur Toilette stöckelte, wozu sie sich einen Weg durch die Reihen
der Sitzgruppen suchen musste, um dann abseits der Rezeption zu verschwinden, hingen
die Augen der Männer geradezu gierig an ihr. Sie war sich dieser Wirkung bewusst,
weshalb sie umso provokativer mit den Hüften schwang.
    Auch die beiden Männer, die gerade durch die
automatisch aufschwenkende Glastür gekommen waren, hatten ihr für einen Moment hinterher
geschaut. Dann aber ließen sie ihre Blicke über die Sitzgruppen der Bar streifen
und erkannten, wo ihr Ziel sein würde. Die beiden Blondinen waren schließlich nicht
zu übersehen gewesen.
    Sie lächelten den Frauen schon von weitem zu.
Sie sprachen slowakisch, begrüßten sich mit einem Küsschen auf die Wangen und nahmen
an dem ovalen Couchtisch Platz. Einer der Männer streichelte den Oberarm einer der
Frauen. Sie schien es zu genießen. Der andere Mann machte eine charmante Bemerkung,
die schallendes Gelächter hervorrief. Unterdessen näherte sich bereits die Bedienung.
Ihr Gesichtsausdruck verriet Missmut. Die Männer bestellten Bier, als die dritte
Dame von der Toilette zurückstöckelte und sich nun ebenfalls mit Küsschen begrüßen
ließ.
    Sie unterhielten sich eine Viertelstunde, während
der die Damen immer wieder kicherten. Schließlich deutete eine von ihnen auf zwei
Männer, die langsam und offenbar suchend an den äußeren Sitzgruppen dieser Bar entlang
gingen. Der eine war weißhaarig und korpulent, der andere schlank und jünger.
    Die Slowaken drehten sich um und hoben kurz
die Arme, um sich gegenüber den Neuankömmlingen bemerkbar zu machen. Augenblicke
später hatten die beiden Gäste den Tisch erreicht und die drei lächelnden Blondinen
und deren männliche Begleiter mit Handschlag begrüßt.
    »Welcome in Košice«, begrüßte sie einer der
Slowaken und verzog dabei sein Gesicht zu einem strahlenden Lachen. Auf seinem kahlen
Kopf, den nur ein schmaler Haarkranz umgab, hatten sich feine Schweißperlen gebildet.
Der andere Mann, ein sportlich ergrauter Sechziger, wirkte souverän und vornehm,
trug Jeans, Strickpulli und Turnschuhe. »Ich heiße Sie auch herzlich willkommen«,
sagte er, ohne seine amerikanische Herkunft verleugnen zu können. »Wie war die Reise?«
    Der weißhaarige Deutsche gab sich energisch.
»Was nimmt man nicht alles in Kauf, wenn man solche Nachrichten erhält?« Mit einem
eher gekünstelten Lächeln versuchte er, die Schärfe seiner sonoren Stimme zu mildern.
    »Wir hätten uns einen angenehmeren Aufenthalt
hier vorstellen können«, ergänzte sein Begleiter, dessen blondes Haar offenbar seit
der Abfahrt in Deutschland nicht mehr gekämmt worden war.
    Die Männer zogen sich zwei freie Polsterstühle
von Nebentischen heran und bestellten Bier, als die Beine der Bedienung in ihr Blickfeld
kamen.
    »Die Damen hier«, begann der Amerikaner langsam
und deutete lächelnd auf die Begleiterinnen, »sind unsere Sekretärinnen.

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