Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
Schulter, griff nach der Bücherkiste und stolperte die Treppe hinunter.
Er schmiss alles in den Wagen, dann holte er den Rest.
Die ganze Zeit stand sie unten an der Treppe und zuckte mit keiner Wimper. Er hatte Lust, sie übel zu beschimpfen oder anzuschreien, einfach, weil er sich für den Moment besser gefühlt hätte. Aber hinterher hätte er es garantiert bereut. Also ignorierte er sie und den Druck in seinem Magen, und er ignorierte, dass er sich eine neue Beule holte, als er sich den Kopf beim hastigen Einsteigen anstieß.
Er ließ den Motor an, der sofort ansprang, und fuhr langsam los, auch wenn er gern Vollgas gegeben hätte.
Beinahe verursachte er einen Auffahrunfall, weil er immer wieder gegen ein paar ausgesprochen hartnäckige Tränen anblinzeln musste. Er stellte das Radio an, und als ein Lied von Joe Cocker kam, sang er laut mit, um das Gefühl in seiner Kehle loszuwerden.
Dann fuhr er zur Schlachte hinunter, parkte den Wagen im Halteverbot und marschierte in die nächste Kneipe.
Sein Peugeot wurde abgeschleppt, er musste ihn am nächsten Morgen abholen. Bernd Brehmer erwartete ihn bereits und sah ihn vorwurfsvoll an. »Du weißt doch, dass da Halteverbot ist!«
»Völlig überflüssig, wenn du mich fragst! Erklär mir mal, warum man da nicht parken kann.«
Bernd Brehmer zog die Augenbrauen hoch. »Muss ich dir das wirklich sagen, Heiner?«
Der winkte ab. »Spar dir das und deine Belehrungen.«
»Meine Güte, du hast ja wieder ’ne Laune!«
»Ich hatte eine richtige Scheißnacht.«
»Darauf wette ich.« Brehmer stellte den Schein aus. »Hier, unterschreib.«
Während Schuster seinen Namen hinkritzelte, warf Brehmer ihm einen kritischen Blick zu. »Na, einen übern Durst getrunken, was? Deine Fahne riecht man jetzt noch.«
Schuster blickte kurz auf, verkniff sich aber jeden Kommentar.
»Du hast gestern Nacht ja wohl hoffentlich nicht vorgehabt, noch zu fahren!« setzte Brehmer noch einen obendrauf.
Jetzt sah sich Schuster doch genötigt, etwas zu entgegnen.
»Erstens wollte ich nicht mehr fahren, du Schlaumeier, zweitens hätte ich gar nicht mehr fahren können und drittens«, er fletschte die Zähne, »drittens konnte ich nicht fahren, weil ihr meinen Wagen abgeschleppt habt!«
Er funkelte seinen Kollegen wütend an, knallte den Schein auf den Tisch und machte sich vom Acker.
Er war stocksauer, und er machte die Erfahrung, dass diese Wut besser auszuhalten war als das beklemmende Gefühl, mit dem er seit einigen Wochen herumrannte.
Während er zu seinem Wagen stapfte, murmelte er vor sich hin, wie verblödet man eigentlich sein musste, so abzustürzen.
Nicht weniger verblödet als diese dämlichen Parkverbotszonen an der Schlachte, und Brehmer konnte sich seine Ratschläge und Vorträge sonstwohin stecken!
Er massierte sich die Schläfen. Er hatte hämmernde Kopfschmerzen, selbst zwei Aspirin hatten bisher nicht geholfen.
Sein Peugeot stotterte einmal, zweimal, würgte und spuckte und beschloss dann, keinen Piep mehr von sich zu geben.
Schuster donnerte mit der Faust aufs Lenkrad und löste damit die Hupe aus. »Wenn du nicht SOFORT anspringst, du verfluchte, elende Mistkarre, verschrotte ich dich noch heute!«
Der Motor rührte sich nicht.
»Du hast es nicht anders gewollt.« Fluchend kletterte er wieder aus dem Wagen, trat mit dem Fuß in die Fahrertür, ließ den Scheibenwischer einmal zurückklatschen und marschierte dann los.
Es hatte mal wieder angefangen zu regnen. Erst nieselte es leicht, dann sprühte es, bis es schließlich goss wie aus Kübeln. Binnen zehn Minuten war Hauptkommissar Schuster nass bis auf die Knochen. Er fluchte leise vor sich hin.
Als er ins Büro kam, saß Gunnar Grätsch bereits am Schreibtisch. »Wie siehst du denn aus? Regnet es etwa schon wieder?«
Schuster schnappte nach Luft und biss sich auf die Unterlippe, um sich nicht auch noch mit seinem Lieblingskollegen anzulegen. Er stapfte an seinem Schreibtisch vorbei über den Flur hinüber zum Klo, nahm sich einige Blatt Papier aus dem Apparat und rubbelte sich die Haare einigermaßen trocken. Dann wusch er sich dreimal hintereinander die Hände.
Das war etwas, was ihm schwer zu schaffen machte: sein Waschzwang. Mehrmals die Stunde musste er sich die Hände waschen, wenn er nervös war zum Beispiel, sich unwohl fühlte oder wenn er sich über irgendetwas den Kopf zerbrach.
Zurück im Büro zog er seine klatschnasse Kapuzenjacke aus und hängte sie an den Garderobenständer, der in der Ecke
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