Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
stand und unter dem einseitigen Gewicht zweier Jacken bedrohlich wackelte.
Er schmiss sich auf seinen Stuhl, schaltete den PC an, nahm aus der Schublade einen Marsriegel, biss herzhaft hinein und lehnte sich dann mit einem lauten Seufzen zurück.
Grätsch hatte ihm die ganze Zeit schweigend zugesehen.
Schuster suchte seine weiße Tasse und holte sich Kaffee, der heute aussah, als hätte er ursprünglich Schwarztee werden wollen.
Dann nahm er die Dose mit den Vitaminpillen und steckte sich gleich zwei in den Mund.
»Was macht dein Kopf?«, erkundigte sich Grätsch.
»Wehtun.«
»Hast du letzte Nacht wenigstens mal geschlafen?«
Schuster blickte vom Bildschirm zu Grätsch. »Ich war total blau, Gunnar. Ich weiß kaum, wie ich nach Hause gekommen bin.« Er verzog das Gesicht. »Nach Hause! Geschlafen hab ich trotzdem kaum.«
»Ist nicht so gut gelaufen gestern mit Silke, was?«
»Kannst du laut sagen. Sie hat meine Sachen gepackt und das Schloss auswechseln lassen.«
»Oh verdammt ...«
»Sie will nicht, dass ich plötzlich auftauche und sie mit ihrem neuen Loverboy bei Turnübungen überrasche.« Verflucht, schon wieder dieses ekelhafte Gefühl in der Kehle.
Nervös trommelte er mit dem Stift auf seinen Schreibtisch.
»Ich werde mir so schnell wie möglich eine Wohnung suchen, Gunnar. Ich hab eure Gastfreundschaft lange genug strapaziert.«
In der Nacht wälzte er sich von einer Seite auf die andere, und immer wieder griff er zum Wecker und warf einen Blick aufs beleuchtete Zifferblatt.
Es ist aus, Heiner ... Himmel, warum konnte er diesen verfluchten Satz nicht endlich aus seinem Kopf kriegen?
Um kurz nach fünf kletterte er aus dem Bett.
Mit der Faust schlug er an den Hängeschrank und zog das erstbeste Hemd heraus, das er fand.
Mit dem Hemd unterm Arm ging er durch den Garten, machte leise die Hintertür auf und schlich dann auf Zehenspitzen zum Badezimmer.
Er dachte wieder nicht dran. Gerade, als ihm bewusst wurde, dass er die Spülung nicht drücken wollte, hatte er den Finger bereits auf der Taste. Die Spülung rauschte, und es kam ihm vor, als sei sie viel lauter, und das Rauschen wollte kein Ende nehmen.
Mit eingezogenem Kopf schimpfte er mit sich selbst und wünschte sich ein Erdloch herbei.
Grätsch hatte auf ihn gewartet und hielt ihm die Wagentür auf.
»Wird Zeit für ein neues Auto, was?«
Schuster schwieg wütend.
Unterwegs erzählte sein Kollege von seinem Sohn Tobias, frischgebackener Erster Kriminalhaupt-kommissar bei der Kripo Hamburg. Grätsch platzte fast vor Stolz. »Hätte nicht gedacht, dass Toby das wirklich durchzieht. Auch wenn er als kleiner Junge schon Polizist werden wollte.«
»Das wollen doch alle Jungs irgendwann mal.« Schuster blickte aus dem Fenster und versuchte, die Magenschmerzen zu ignorieren, die sich soeben anbahnten.
Grätsch nickte achselzuckend. »Schon möglich.«
»Klingt vielleicht seltsam, aber ich würde es für ein Kompliment halten, wenn mein Sohn Bulle werden will wie ich«, meinte Schuster.
Grätsch sah ihn von der Seite an. »Das meinst du jetzt nicht ernst.«
»Doch. Warum sollte dein Sohn nicht stolz auf deinen Beruf sein und in deine Fußstapfen treten wollen?«
»Würdest du das auch sagen, wenn du einen Sohn hättest?«
Sofort biss Grätsch sich auf die Zunge. Er wusste, dass er Schusters wunden Punkt getroffen hatte.
Er wollte eine Entschuldigung murmeln, doch Schuster winkte ohne ein Wort ab.
Er ließ sich von Grätsch zum Gymnasium fahren, an dem das Ehepaar Stolze unterrichtet hatte. Es war kurz nach acht, der Unterricht hatte gerade erst begonnen.
Einigermaßen energisch klopfte er am Lehrerzimmer an, nur drei Lehrer waren anwesend. Einer machte sich Notizen, ein anderer holte sein Frühstück nach, und eine sehr junge Lehrerin in knallengen Jeans saß an einem großen runden Tisch und klappte gerade ihre Tasche zu, als er seinen Kopf zur Tür reinsteckte. »Moin, mein Name ist Heiner Schuster, Kripo Bremen. Ich bearbeite den Mord an Heidi Stolze, Ihrer Kollegin.«
»Oh«, hauchte die Lehrerin und wurde blass.
Die anderen beiden Lehrer blickten auf, der eine mit halb geöffnetem Mund, einen Apfel in seiner Hand.
Schuster fühlte sich etwas unbehaglich, was sehr wahrscheinlich am Umfeld lag. Seine Schulzeit hatte er in nicht allzu guter Erinnerung.
»Was können wir für Sie tun?«, fragte einer der Lehrer und biss in seinen Apfel.
»Verraten Sie mir zunächst mal Ihre Namen?« Schuster trat ein und kramte sein
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