Schutzengel mit ohne Flügel
Gedanken an einen Fettbrand im Café in der Mechelininkatu ein, den zuständigen Ingenieur im Bauamt ließ er seine ursprünglichen Papiere überarbeiten, den Vorsitzenden des Hygieneausschusses veranlasste er, sein Mittagessen zu unterbrechen und mehrere Arbeitsmediziner anzurufen, die entsetzt erklärten, dass sie die Eröffnung eines solchen Bakterienherdes nicht einmal zu Versuchszwecken zulassen würden. Und schließlich, bereits ein wenig erschöpft, nahm er Kontakt zu jenem höheren Beamten auf, der für die Bewilligung von Ausschankrechten zuständig war, und der erkannte erschrocken, dass er aufgrund der bestehenden Verordnung für Szenekultur und Alkoholausschank jenen Antrag, den er morgens noch ohne langes Nachdenken befürwortet hatte, eigentlich rundweg ablehnen müsste. So scheiterte Aaro Korhonens und Viivi Ruokonens Plan für das an sich harmlose Caféprojekt, ehe er überhaupt begonnen hatte.
Über diese Eilentscheide wurde Viivi telefonisch informiert. Aaro Korhonen tobte und verlangte Erklärungen. Woran haperte es? Helsinki war voll von Spelunken, eine wüster als die andere, in denen zwielichtige einheimische Gangs und die schlimmsten Mafiabanden der Nachbarländer ihre sündigen Nester hatten, aber ein sauberes und gemütliches Büchercafé durfte seine Türen nicht öffnen in einer Gegend, in der es eindeutig genug potenzielle Kunden gab, die sich nähren und bilden und, im besten Falle, auch dezent vergnügen wollten.
6
AARO SCHLÄFT IM BETT DER VERSTORBENEN
Aaro Korhonen machte eine wütende Runde durch die Helsinkier Ämter. Er äußerte seine Verwunderung darüber, dass ihm für seine neu zu gründende Firma kein Ausschankrecht gewährt wurde und dass sich die Brandschutz- und Hygienebehörden dem Vorhaben widersetzten, obwohl alle Antragspapiere in Ordnung waren. Darüber wunderten sich die Beamten selbst, allerdings nur insgeheim. Sie waren mit Aaro Korhonen einer Meinung, beriefen sich aber flugs auf verschiedene Paragraphen und Bestimmungen, die sie in aller Eile zu ihrem Schutz zusammengetragen hatten. Sie hatten Angst davor, dass sich der Antragsteller über ihr Vorgehen beschweren könnte und dass sie sich für ihre idiotischen Beschlüsse verantworten müssten. Also erklärten sie in der Art des typischen Beamten hochmütig, dass ihm der Beschwerdeweg offenstehen würde, der allerdings lang und teuer wäre und an ihren Entscheidungen voraussichtlich nichts ändern würde. Er täte gut daran, sich zu beherrschen, und vor allem sollte er sich überlegen, welcher Sprache er sich hier eigentlich bediene und wo die Grenze zwischen Kritik und Drohung verliefe. Die Unantastbarkeit des Beamten war in Finnland noch heilig, das müsse auch Korhonen anerkennen.
Heilig, genau so hätte es auch Schutzengel Sulo Auvinen formuliert. Als er Aaro in die verschiedenen Ämter folgte, trübte sich seine Stimmung. Er hatte nur Gutes beabsichtigt, als er sich in das Restaurantprojekt eingemischt und es zu Fall gebracht hatte. Aaro musste doch einsehen, dass er zum Gastwirt, dessen ganzes Sinnen und Trachten darin bestand, entgleiste Sterbliche vollends ins Verderben zu stürzen, nicht taugte? Letzten Endes hatten sich die Dinge zum Guten und Abstinenten gewendet, dass würde Aaro im Laufe der Zeit bestimmt noch selber merken. Trotz alledem beschloss Sulo Auvinen, Aaro irgendwie für die erlittenen Rückschläge zu entschädigen. Vielleicht könnte er ihm eine ansehnliche Summe Geld auf sein Konto transferieren? So etwas ist Engeln immer möglich, im Himmel wird nicht gekleckert. Schließlich ist Geld ein ideeller Wert, und so gesehen sind Geisterwesen ungeheuer reich. Als ehemaliger Religionslehrer entdeckte Sulo Auvinen zum ersten Mal, dass er wirklich große Summen bewegen konnte, und er geizte nicht damit. Hätte er doch nur zu Lebzeiten so hemmungslos mit Geld um sich werfen können! Was hätte er nicht alles anschaffen, was alles unternehmen können … Plötzlich besaß Aaro mehr Geld als Sulo Auvinen während seines ganzen Lebens.
Nach diesem Aufeinandertreffen mussten sowohl der Schutzengel als auch die Beamten in Helsinki erschrocken feststellen, dass ein gereizter Aaro Korhonen ein ernst zu nehmender Gegner war, der nicht so leicht klein beigab. Wenn Aaro dem Beamten in die Augen starrte, musste der auf einmal dringend zur Toilette. Auch der Schutzengel hatte es nicht leicht. Sulo Auvinen musste zugeben, dass er mit seinem Schützling ernsthaft Stress hatte. Mit Aaro war nicht gut
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