Schutzengel mit ohne Flügel
Taivalkoski damals sehr kleine Kirchspiele gewesen waren. Bei einer der Einwohnerzählungen war man im Bezirk Koillismaa auf mehr als tausendzweihundert Määttäs gekommen, davon hundertvierundsechzig Kalle Määttäs. Und dazu noch die Lämsäs, auch davon gab es Hunderte.
»In Kuusamo beinhaltet das Dutzend zehn Määttäs und an den Enden je einen Lämsä«, witzelte der Engel Gabriel trocken.
Sulo Auvinen fasste sich ein Herz und äußerte, dass das himmlische Dutzend dann wohl aus zehn Gabriels und an den Enden je einem heiligen Petrus bestand.
»Tja«, konstatierte der ehemalige Kalle Määttä, jetzt wieder in offiziellem Ton. »Tja, aber nun zu dir. Wir haben hier den Verdacht, dass du unsere Vorgehensweise nicht recht begreifst, obwohl du Religionslehrer und dazu noch ein alter Mann bist. Als Schutzengel bist du ein Anfänger und ein wahrer Tölpel.«
Wenn Sulo Auvinen weiter als Aaro Korhonens Schutzengel tätig sein wolle, müsse er einen neuen Aktionsplan erstellen, erklärte Gabriel. In Kleinigkeiten solle er sich gefälligst nicht mehr einmischen. Aaro Korhonen sei ohne Weiteres imstande, allein mit seinen wenigen Problemen fertigzuwerden. Sulo müsse sich auf die großen Zusammenhänge konzentrieren. Falls er den Mann in beschützerischem Sinne vor Herausforderungen stellen wolle, die Schwung in sein Leben bringen würden und es ideell bereichern sollten, so müssten das groß angelegte Projekte sein und nicht irgendwelcher kleiner Murkskram, wie er ihn bisher initiiert habe.
Sulo sollte also ein neues Schutzprogramm entwickeln, und er bekam auch gleich die nötigen Vorgaben. Zuallererst musste er aufhören, die Frauengeschichten seines Schützlings regeln zu wollen. Auch in wirtschaftlichen Fragen sollte er überlegt vorgehen und nicht pfuschen wie bisher. Wenn er das Konto des Mannes mit Geld versorgte, musste auch ersichtlich sein, woher es kam, jedenfalls sollte nicht der Eindruck entstehen, dass es aus der Luft oder vom Himmel gefallen war.
Gemeinsam besprachen sie noch viele weitere Details, und Sulo Auvinen versuchte sich alles einzuprägen. Er zeigte sich unbedingt kooperativ, was der Engel Gabriel zufrieden registrierte.
Zum Schluss wurde die Unterhaltung lockerer und drehte sich, wie bei männlichen finnischen Engeln üblich, um alte Kriegszeiten. Gabriel erzählte, dass er im Winterkrieg in Suomussalmi im Fahrradbataillon 6 (PP6) gekämpft habe. In diesem Bataillon seien viele Männer aus Kuusamo und Posio gewesen. Es sei der Gruppe Wolf unterstellt gewesen, die von Oberstleutnant Paavo Susitaival, dem älteren Bruder des berühmten Selbstmörders Bobi Sivén, kommandiert worden sei. Die Kämpfe seien hart, aber siegreich gewesen. Ein bisschen so wie weiter südlich an der Straße nach Raate.
Sulo Auvinen erwähnte, dass er in Helsinki beim Luftschutz und später im Lappland-Krieg in einer Luftabwehrbatterie gekämpft habe. Er habe alles heil überstanden, habe sich lediglich oben im Norden Rheuma eingehandelt. Vom Rang her sei er Leutnant.
»Herr Leutnant! Unteroffizier Määttä meldet sich zur Stelle!«, brüllte der Engel Gabriel und lachte gleich darauf schallend.
Zum Abschluss des Rapports bewilligte er Sulo Auvinen einige Tage Urlaub und wünschte ihm, dass er bei der Betreuung seines Schützlings mehr Glück als bisher haben möge. Sulo wollte noch wissen, woher das Loch in Gabriels Stirn und das große Mal an seinem Hals stammten. Der Engel sagte ernst:
»Das hier am Hals ist ein Geburtsmal, und das andere ist ein Todesmal, ein Einschussloch, Volltreffer eines russischen Scharfschützen. «
Unteroffizier Määttä erzählte noch, dass nach seinem Tod ein Spähtrupp aus seiner Kompanie, geführt von Korporal Lämsä, eben jenen Scharfschützen namens Leontjew gefangen genommen hatte. Er war im Herbst 1941 im Kriegsgefangenenlager von Kuhmo verhungert.
»Ein scharfer Kerl. Weilt meines Wissens heute im Himmel der Russen. Lämsä lebt noch, röchelt dem Vernehmen nach in der Bettenabteilung des Gesundheitszentrums von Kuusamo vor sich hin. Ich schätze, dass er spätestens im Herbst stirbt und hier zu uns in den Himmel kommt.«
16
FRÄULEIN NUUTINEN IST EIN STANDHAFTER CHARAKTER
Nachdem Leutnant Sulo Auvinen von Unteroffizier Määttä Absolution erhalten hatte, machte er ein paar Tage Urlaub im heimatlichen Kuopio, ehe er wieder nach Helsinki flog, um seinen Dienst zu versehen. Er besuchte das Grab seiner Frau, und erst jetzt stellte er sich verwundert die
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