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Schutzengel mit ohne Flügel

Schutzengel mit ohne Flügel

Titel: Schutzengel mit ohne Flügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Frage, wo sich Hilma eigentlich aufhielt … im Himmel war er ihr nicht begegnet. War der alte Drachen nach den Heimsuchungen des Fegefeuers womöglich in der Hölle gelandet? Wieso war ihm diese Möglichkeit nicht früher in den Sinn gekommen? Immerhin hatten sie etliche gemeinsame Ehejahre hinter sich, und auch er selbst war inzwischen schon mehrere Monate tot.
    Jemand hatte Blumen auf Hilmas Grab gestellt. Und sein eigenes? Sulo erinnerte sich, dass er neben Hilma bestattet worden war, so weit, so gut, aber auf dem Auvinen'schen Grabstein, den er selbst gekauft hatte, war sein Name nicht zu finden, auch keine Spur von Geburts- und Sterbedatum. Wahrlich keine angenehme Erkenntnis. So leicht gerieten das ganze Lebenswerk und die persönliche Geschichte eines Menschen in Vergessenheit? Oder handelte es sich womöglich um eine normale Lieferverzögerung? Einen Namen in den Stein zu meißeln klappte wahrscheinlich nicht von heute auf morgen. Wieso war das noch nicht erledigt? Verflixt, wenn Hilma noch leben würde, wäre die Sache längst in Ordnung gebracht, aber tot war eben tot.
    Sulo gestand sich nüchtern ein, dass seine Ehe in vieler Hinsicht missglückt war. Der wichtigste Grund für eine Heirat war für ihn ursprünglich das brennende Verlangen nach einer Frau gewesen. Jedes x-beliebige junge Ding wäre ihm recht gewesen, die Leidenschaft zu kühlen. Zufällig war ihm Hilma über den Weg gelaufen, sie hatten sich verlobt und dann geheiratet. Auch Kinder waren gekommen, aber das ganze Bündnis war von Reue und Gleichgültigkeit bestimmt gewesen. Der freudlose Zustand hatte länger als vierzig Jahre angedauert. Hilma war auf stille Art boshaft gewesen, und bestimmt war sie jetzt in der Hölle. Ach herrje, aber Sulo konnte nicht umhin, zufrieden zu lächeln, als ihm diese Möglichkeit dämmerte.
    Sonst war es angenehm in Kuopio. Sulo Auvinen kreiste am Himmel über seiner alten Heimatstadt und betrachtete von oben die Häuserzeilen, die Parks, die blauen Seen, die Brücken und den drehbaren Turm von Puijo, der seinerzeit eine nationale Touristenattraktion gewesen war. Sulo erinnerte sich, dass er, als um jenen Bau auf dem Berggipfel gestritten wurde, Zivilcourage gezeigt und unter einem Pseudonym an die Regionalzeitung Savon Sanomat einen Leserbrief geschickt hatte, der das Projekt befürwortete. Inzwischen war der Turm bereits ein wenig verfallen, aber immer noch existierte in dem Turm ein Restaurant der gehobenen Kategorie. Als Sulo von draußen durch die Fenster lugte, erkannte er die meisten Anwesenden: Der Bürgermeister erhob gerade inmitten einer Gästeschar das Glas mit einem eisgekühlten Schnaps. Viele berühmte Savolaxer Sozialdemokraten waren da, unter anderem Paavo Lipponen und Martti Ahtisaari, beide mit Gattinnen. Im Hintergrund sah er Erkki Liikanen und Lasse Lehtinen, auch sie in Begleitung, eine Seltenheit.
    Während Sulo Auvinen zusah, wie das Festessen aufgetragen wurde – kleine Maränen in Sahnesoße, flambierte Eierkuchen, schimmernder Kognak –, bekam auch er Hunger. Aber wie sollte ein Toter traditionelle regionale Delikatessen zu sich nehmen? Mit welchem Recht schlemmte die Bande eigentlich unter seinen Augen! Schwarzer Neid erfüllte sein Herz, und ohne groß zu überlegen, beschloss er, ein solches Unwetter aufziehen zu lassen, dass die Prasser sich an den Fischgräten verschlucken würden.
    Engel haben geistige Kräfte, oder Substanz, wie man in Savo so treffend sagt. Sulo fachte zunächst den Wind an und ließ ihn an den Fenstern des drehbaren Turms rütteln, dann zog er eine finstere Gewitterwolke über den Puijo und ließ die Blitze zucken. Ha! Ein paar der Blitze lenkte er direkt in die Spitze des Turmes und registrierte zufrieden, dass im Restaurant das Licht erlosch und dass die Fahrstühle in ihren Schächten stecken blieben. Mit weißen Gesichtern schauten die Herren in das Toben hinaus, und Sulo Auvinen hatte den Eindruck, dass zumindest Erkki Liikanen ein Stoßgebet zum Himmel schickte. Assi als liebende Gattin stand ihrem Sünder zur Seite und stimmte inbrünstig mit ein.
    Sulo hätte die Savolaxer Politiker durchaus noch länger gestraft, aber auch seine Befugnisse hatten Grenzen. Aus Kerimäki kam ein striktes Verbot. Der Engel Gabriel befahl seinem Untergebenen, sich zu beruhigen und das Wetter zu dämpfen. So konnte das Essen der eloquenten Herren seinen Fortgang nehmen, auch wenn der Ton gemäßigter als sonst war und die üblichen überheblichen Witze über die Leute

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