Schutzlos: Thriller (German Edition)
können. Es hatte wohl einen kleinen Dämpfer für Westerfields Karriere bedeutet.
»Ich denke, Ihr Abschied wäre in Ordnung. Ein Entschuldigungsschreiben. Damit die maßgeblichen Stellen erfahren, dass Sie uns absichtlich hinters Licht geführt haben. Ich werde natürlich sicherstellen, dass Sie in allen Ehren verabschiedet werden. Aber ein eleganter Wechsel zu einem privaten Sicherheitsunternehmen wäre vielleicht eine gute Idee. Sie würden Ihr Gehalt glatt verdoppeln. Ich kann Ihnen sogar ein paar hübsche Kandidaten vorstellen.«
»Jason …«, begann Ellis.
»Es tut mir leid. Wirklich.« Westerfields setzte eine sorgenvolle Miene auf. »Aber wenn das nicht passiert … Ich sage es nur ungern, aber ich habe da von einem Problem gehört, mit richterlichen Genehmigungen für Überwachungsaktionen.«
Mehrere Augenpaare blickten in meine Richtung.
Westerfield wusste also doch Bescheid. Was bedeutete, er hatte einen Vorteil mir gegenüber. Einen verdammt guten.
»Können wir uns darauf einigen?«, sagte der Staatsanwalt. »Ab jetzt getrennte Wege gehen? Haben Sie es nicht satt, beschossen zu werden, Corte?«
Das Nash-Bargaining-Problem, benannt nach dem berühmten Mathematiker John Nash, ist ein Liebling der Spieltheoretiker und auch eins meiner Lieblingsspiele. Es geht folgendermaßen: Zwei Spieler wollen jeweils ein Stück von etwas, das teilbar ist. Etwa zwei Chefs, die sich eine Verwaltungskraft teilen müssen, die nicht mehr als vierzig Stunden pro Woche insgesamt arbeiten darf. Jeder Spieler schreibt auf einen Zettel, wie viele Stunden er die Kraft haben möchte, und zwar ohne zu
wissen, wie viel der andere verlangt. Wenn die Gesamtsumme vierzig Stunden oder weniger beträgt, bekommt jeder die Verwaltungskraft für die erbetene Zeit. Übersteigt die Gesamtsumme vierzig Stunden, bekommen beide überhaupt keine Verwaltungskraft.
Ich war nun offenbar der Gegenstand des Bargaining-Problems zwischen Ellis und Westerfield.
Aber die Spieltheorie funktioniert nur, wenn die Regeln klar und vorab bekannt sind. Bei dem Nash-Bargaining, das hier stattfand, wusste keiner der beiden Spieler von einer weiteren Regel, die in Kraft war: Dass der Gegenstand ihres Feilschens – also ich – selbst ebenfalls ein Spieler war.
Während Westerfield und Ellis einen Kompromiss aushandelten, bei dem beide Seiten das Gesicht wahren würden und auf den ich gar nicht weiter achtete, unterbrach ich irgendwann. »Jason?«
Er hielt inne und sah mich an.
»Ich höre nicht auf«, sagte ich. »Ich schreibe keine Kündigung. Sie werden die Angelegenheit fallen lassen.«
Sowohl mein Boss als auch Westerfield blinzelte. Der Staatsanwalt sah seine gleichermaßen verblüffte Assistentin an, die an ihren Perlen herumfummelte.
Ein kühles Lächeln erschien auf den schmalen Lippen Westerfields. »Nun, Sie wollen mir nicht…?«
Er wollte nicht sagen: »… etwa drohen, oder?«, aber das war genau das, worauf sein unheilvoller Satz hinauslief.
»Es ist gut, Corte«, sagte Ellis. »Wir können etwas ausarbeiten. Es gibt Spielraum für einen Kompromiss.«
Ich stand auf, ging zur Tür und schloss sie.
Westerfield schaute perplex drein. Ellis wünschte sich weit fort. DuBois setzte eine Art Lächeln auf. Meine Art von Lächeln. »Bitte sehr«, sagte ich zu ihr und setzte mich wieder. Ich bringe meinen Zöglingen bei, wie man mit Liftern, Killern und Auftraggebern
umgeht. Ich bringe ihnen außerdem bei, wie man mit unseren Mitstreitern fertigwird.
Sie wandte sich an Westerfield und sagte in respektvollem Ton: »Sir, wir hielten es zur Stützung der Anklage gegen Mr. Alberts und Senator Stevenson für klug, genau festzustellen, wann und wie die beiden Kenntnis davon erlangten, dass unsere Organisation die Schutzmaßnahmen für die Kesslers durchführte. Das war die eine große unbeantwortete Frage, vor der Officer Corte und ich standen. Denn natürlich gibt es keine offiziellen Ankündigungen, wenn wir einen Auftrag annehmen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass unsere Organisation so anonym wie möglich bleibt. Wie Sie sich vorstellen können, ist uns eine effektive Tätigkeit kaum möglich, wenn alle möglichen Leute einfach hereinspazieren und ihre Nase in unsere Arbeit stecken. Tatsächlich legen die Richtlinien für alle Strafverfolgungsbehörden ausdrücklich fest, dass es verboten ist, auch nur unsere Existenz zu erwähnen, ganz zu schweigen davon, Auskünfte über konkrete Projekte von uns zu erteilen.«
»Die Nase in
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