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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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gesprochen, nach Frankreich zu fahren, aber sie hat es nie geschafft. Sie wissen ja, darin hat sie geglänzt, in Französisch.«
    »Ich weiß.«
    »Nun, das letzte, was sie aus dem Fach herausnahmen, war die Versicherungspolice. Sie hatte sie erst vor drei Wochen abgeschlossen. In einer Klausel werden Sie als der einzige Begünstigte genannt.«
    Anna Maude Singe hörte zu reden auf und schaute weg.
    »Wieviel?« fragte Dill.
    »250000«, sagte sie und warf Dill einen schnellen Blick zu, als wollte sie seine Reaktion darauf mitbekommen. Diese zeigte sich nur in den Augen, sonst war ihm nichts anzumerken. In seinem Gesicht rührte sich nichts, nur die großen, sanften und grauen Augen waren plötzlich wie mit Eis überzogen.
    »250000«, sagte Dill schließlich.
    Sie nickte.
    »Bestellen wir uns noch was«, sagte er, »ich zahle.«

4
    Um siebzehn Uhr fünfundvierzig hängte Benjamin Dill gerade seinen dunkelblauen Anzug in den Einbauschrank von Zimmer 981 im Hawkins Hotel, als sie an seine Tür klopften. Nachdem er aufgemacht hatte, stufte er sie automatisch als Polizisten ein. Beide waren in Zivil – in gutgeschneiderten, offensichtlich teuren Anzügen –, doch die bemüht gelangweilten Augen, das gekonnt einschüchternde Gehabe und der allzu gleichgültige, festgefrorene Ausdruck um ihren Mund verrieten ihren Beruf.
    Beide waren hochgewachsen, reichlich über einen Meter achtzig groß, und der ältere war breit und schwer, während der jüngere sehnig-schlank, sonnengebräunt und eine Spur zu elegant war. Der wuchtig-schwere Mann streckte seine Hand aus und sagte: »Ich bin Chief Strucker, Mister Dill. Das ist Captain Colder.«
    Dill schüttelte Struckers massige, sommersprossige Hand und dann die, die Colder ihm reichte. Sie war schmal und außerordentlich kräftig. Colder sagte: »Gene Colder, Mordkommission.« – »Kommen Sie herein«, forderte Dill sie auf.
    Etwas träge und lässig, wie Polizisten es an sich haben, kamen sie ins Zimmer, ließen ihre Augen schweifen und taxierten weniger aus Neugier denn aus Gewohnheit seine Einrichtung und den Bewohner. Dill winkte zu den beiden Sesseln seines mittelgroßen Zimmers hinüber.
    Strucker ließ sich langsam und vorsichtig mit einem Aufseufzen hineinsinken, Colder glitt wie eine Katze auf den Polstersitz. Strucker nahm eine Zigarre aus seiner Tasche, hielt sie fragend hoch und sagte zu Dill gewandt: »Sie gestatten?«
    »Selbstverständlich«, erwiderte Dill, »möchten Sie einen Drink?«
    »Ich glaube, ich könnte einen gebrauchen«, meinte Strucker, »das war heute ein harter Tag.«
    Dill holte eine Flasche Old Smuggler aus seinem Koffer, zog die Plastikschutzhüllen von zwei Gläsern, die auf einer Ablage standen, holte noch ein weiteres Glas aus dem Badezimmer und goß drei Drinks ein. »Wasser?« fragte er. Strucker schüttelte den Kopf. Colder sagte:
    »Nein, danke.« Dill reichte ihnen ihre Gläser, nahm sein eigenes mit ins Bad, ließ etwas Wasser dazulaufen, kam zurück und setzte sich auf das Bett. Er wartete ab, bis Strucker seine Zigarre richtig zum Brennen gebracht und den ersten Schluck Scotch genommen hatte.
    »Wer ist es gewesen?« fragte Dill.
    »Das wissen wir noch nicht.«
    »Warum haben sie es getan?«
    Strucker schüttelte seinen massigen Kopf. »Auch das wissen wir nicht.« Er seufzte wieder – diesen wohlbekannten, langen, tiefen, verzweiflungsvollen Seufzer. »Wir sind hier aus verschiedenen Gründen. Der eine ist, daß wir versuchen wollen, ihre Fragen zu beantworten, und der andere ist, Ihnen offiziell das Beileid unserer Stadt und meiner Abteilung auszusprechen. Das geht uns verdammt nah, allen von uns.«
    »Ihre Schwester«, sagte Colder und hielt in seinem Satz kurz inne, »nun, Ihre Schwester war eine außergewöhnliche … Person.«
    »Wieviel hat sie im Jahr verdient?« fragte Dill.
    Strucker schaute hilfesuchend zu Captain Colder hinüber.
    »23 500«, sagte der Captain.
    »Und die Jahresprämie für eine Lebensversicherungspolice über 250000 Dollar für eine achtundzwanzigjährige Frau in guter gesundheitlicher Verfassung ist schätzungsweise wie hoch?«
    Strucker runzelte die Stirn. Als er das tat, stieß die Kappe aus dichtem, drahtigem grauem Haar fast an die buschigen schwarzen Augenbrauen über seinen wachsamen Augen, deren Haselnußbraun grün gesprenkelt war.
    Es waren engstehende Augen neben einer unregelmäßigen Nase, die man ihm irgendwann einmal gebrochen haben mußte, vielleicht auch zweimal. Kurz unterhalb der

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