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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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Nase saß der schmale, dünnlippige Mund, der seine Mißbilligung über nahezu alles zum Ausdruck zu bringen schien, darunter ein Kinn wie ein unbehauener Felsbrocken. Es war ein zerklüftetes, von Linien durchzogenes, überaus intelligentes Gesicht, das jetzt, mit dreiundfünfzig Jahren, so aussah, als hätte es schon zum dritten Mal den Besitzer gewechselt.
    Struckers Stirn war noch immer gerunzelt, als er sagte:
    »Sie haben also davon gehört, wie?«
    »Ich hab davon gehört, ja.«
    Colder deutete ein Lächeln an, nicht rückhaltlos genug, um dabei die Zähne zu zeigen, aber immerhin ausreichend, leichte Mißbilligung und eine Spur Bedauern hineinzulegen. »Ihre Rechtsanwältin, nicht wahr?«
    Dill nickte.
    Strucker trank seinen Whisky aus, setzte das Glas auf einem Tisch ab und wandte sich wieder Dill zu. »Laut Auskunft der Leute von der Arbuckle Life Insurance betrug die Jahresprämie 518 Dollar, und sie zahlte den Gesamtbetrag am vierzehnten vergangenen Monats in bar.«
    »Keine sehr umsichtige Investition für jemanden, der keine Angehörigen hat«, sagte Dill. »Kein Rückkaufswert, sie konnte sie nicht einmal beleihen. Falls sie natürlich gewußt hat, daß sie sterben würde, könnte sie den Wunsch gehabt haben, jemandem, den sie liebte, etwas zu hinterlassen – in diesem Fall mir. Sie nehmen aber doch wohl nicht an, daß es Selbstmord gewesen ist, oder?«
    »Es war kein Selbstmord, Mister Dill«, sagte Colder.
    »Das glaube ich allerdings auch nicht.« Dill stand auf, ging hinüber zum Fenster und schaute aus dem neunten Stock zur Ecke Broadway und Our Jack. »Und dann ist da auch noch ihr Haus.«
    »Das Duplex«, ergänzte Captain Colder.
    »Ja, als sie mir vor etwa siebzehn Monaten davon schrieb, sagte sie, daß sie sich ein kleines Haus kaufen wollte. Ich nahm damals an, es handelte sich um einen alten Bungalow für etwa sechzig- oder siebzigtausend Dollar. Zu dem Preis kann man sie hier doch immer noch kaufen, oder nicht?«
    »So in etwa«, meinte Colder, »aber sie werden langsam Mangelware.«
    »Okay, also wieviel Eigenkapital müßte sie dann für ein Haus zu sechzig- oder siebzigtausend Dollar aufbringen? Zwanzig Prozent? Das wären dann zwischen zwölf- und vierzehntausend. Ich hatte ein paar Dollar übrig, nicht gerade viel, also rief ich sie an und fragte, ob sie ein paar Tausender brauchen könnte, mit denen ich ihr bei der Anzahlung unter die Arme greifen könnte. Sie sagte mir, daß sie sie nicht brauchte, da die Finanzierung des ganzen ›sehr kreativ‹ wäre. Sie lachte ein bißchen, als sie ›kreativ‹ sagte. Ich hab auch nicht weiter nachgehakt, ich habe eben angenommen, daß sie fünf- oder vielleicht zehntausend hinlegt, dann eine Hypothek über fünfzigtausend oder weniger aufnimmt und den Rest mit einem teuren Kredit abdeckt. Bei 23 500 Dollar im Jahr hätte sie es gerade noch hinbekommen.« Dill machte eine Pause, trank von seinem Scotch mit Wasser und sagte dann: »Aber genau das hat sie wohl nicht gemacht, oder?«
    »Nein«, sagte Strucker, »so war es nicht.«
    »Was sie getan hat«, sagte Dill, »war, daß sie sich ein gediegenes Duplex an der Ecke 32nd und Texas für 185000 Dollar gekauft hat. Sie hat 37000 in bar hingelegt und eine erste Hypothek über 100000 Dollar zu vierzehn Prozent aufgenommen, was bedeutete, daß sich ihre monatlichen Zahlungen dafür auf etwa dreizehnhundert beliefen – bloß, daß sie eben 650 von dem Burschen bekam, an den sie die untere Etage vermietet hatte, was also heißt, daß sie selbst nur 650 im Monat aufbringen mußte, allenfalls 700. Sie sagen, daß sie monatlich 1900 Dollar brutto verdient hat, was also ungefähr – wieviel wäre? – etwa vierzehn- oder fünfzehnhundert netto.«
    »So in der Größenordnung«, sagte Colder.
    »Blieben ihr also zum Leben zwischen sechs- oder siebenhundert Dollar monatlich. Na ja, setzt man dabei noch gewisse Steuervergünstigungen ein, dann wäre es vermutlich gerade eben zu schaffen, mit Einkaufsscheinen vom Supermarkt, Billigklamotten aus Junior-L-Läden, Büchern aus der Stadtbibliothek und allabendlich Fernsehen zur Freizeitgestaltung. Aber dann war da schließlich auch noch der Wechsel einzulösen – eben die Sache mit der kreativen Finanzierung. Ihre Anwältin sagte mir, daß er am ersten nächsten Monats fällig würde, also genau achtzehn Monate nachdem sie das Objekt gekauft hat. Dieser Wechsel läuft über 48000 Dollar – plus Zinsen.«
    Dill wandte sich vom Fenster weg und schaute auf

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