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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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den Schubladen der Wäschekommode und in einem kleinen Schreibschränkchen fand Dill nur einige Pullover in den Schutzhüllen einer Trockenreinigung, ein paar zusammengefaltete Hemden und Blusen, etwas Unterwäsche, Strumpfhosen und sonst nur wenig anderes. Es waren gerade genug Kleidungsstücke, so stellte er fest, mit denen jemand einen Monat oder zwei, allenfalls drei Monate auskommen konnte, aber es gab keinerlei Merkhefte, Andenken, Souvenirs oder sonst etwas, die Hinweise auf Charakter, Persönlichkeit oder schlechte Angewohnheiten hätten geben können – außer, daß alles davon Zeugnis ablegte, daß diejenige, die hier gelebt hatte, von besessener Ordnungsliebe gewesen und offensichtlich von einer tiefen Abneigung gegen Kochen und Essen erfüllt gewesen war.
    Dill kehrte dem größeren Schlafzimmer, den Rücken und ging über den Flur in das zweite, kleinere Schlafzimmer, das den Eindruck eines Verschlages machte, den nur jemand bewohnen würde, dem das Geld ausgegangen war. Darin standen ein Spieltisch, eine Bogenlampe und auf dem Tisch eine sehr alte Remington-Reiseschreibmaschine. Ein leinwandbezogener Regiestuhl war an den Tisch herangezogen, rechts vom Tisch stand ein graues, metallenes Karteischränkchen mit zwei Fächern. Dill beugte sich hinunter, öffnete das obere Fach und dann das untere. Beide waren leer. Er vermutete, daß die Polizei alles mitgenommen hatte. Im Wandschrank des zweiten Schlafzimmers befand sich außer drei Drahtbügeln nichts.
    Vom kleineren Schlafzimmer aus ging Dill ins Badezimmer und öffnete das Medizinschränkchen. Er fand dort Aspirin, Tampax, Crest-Zahnpasta, Make-up, einen Rasierapparat, aber keine verschreibungspflichtigen Medikamente. In der Seifenschale lag ein Stück Yardley, und im Zahnbürstenhalter staken zwei Zahnbürsten und ein kleiner Glasbehälter mit Mundwasser. Sonst war im Badezimmer nichts außer einigen Handtüchern und Waschlappen sowie einer Badekappe aus Plastik. Es gab nicht einmal eine Badezimmerwaage. Das war auffallend, fand er; vielleicht war es sogar aufschlußreich.
    Dill verließ das Bad und ging zurück in die Küche, um zu sehen, ob er die Stelle finden konnte, wo Felicity ihre Spirituosen aufbewahrt hatte. Am wahrscheinlichsten, dachte er, war, daß sie sie unter der Küchenspüle gelagert hatte. Er war fast bis zur Küche gekommen, als die Türglocke läutete. Dill machte kehrt, ging hinüber zur Tür und öffnete sie. Vor ihm stand eine tiefgebräunte, langbeinige Frau in knappen gelben Shorts und einem ähnlich knappen blauen Hemdchen mit Pünktchenmuster, die keine Schuhe trug und deren schlapp herunterhängende blonde Löckchen ermattet nach Luft zu japsen schienen.
    Sie hatte große, blaue Augen, eigentlich viel zu stark geweitet, eine glänzende rote Nase und einen breiten Mund, auf den sie dunkelroten Lippenstift von genau dem Farbton aufgetragen hatte, der ganz und gar nicht zu ihr paßte.
    »Sie sind der Bruder, nicht wahr?« sagte die Frau.
    »Ich bin der Bruder«, bestätigte Dill.
    »Sie haben dasselbe Haar wie sie – auch beinahe kupferfarben. Sonst sehen Sie ihr nicht sehr ähnlich, bis auf das Haar.«
    »Sie war hübsch; ich bin’s nicht.«
    »Na ja, von Männern erwartet man ja auch nicht, daß sie hübsch sind, oder?« sagte die Frau, und einen Augenblick lang befürchtete Dill, daß sie jetzt affektiert auflachen würde, was sie aber nicht tat.
    »Und Sie sind eine Freundin, eine Nachbarin?« fragte Dill.
    »Oh, ich bin Cindy, Cindy McCabe. Harold und ich wohnen unten, wissen Sie. Wir wohnen unten.«
    »Harold, das ist Mr. McCabe.« Wie Dill es sagte, klang es nicht wie eine Frage.
    »Na ja, nun, nicht eigentlich, ich meine, wir sind nicht eigentlich verheiratet. Harolds Nachname ist Snow, Harold Snow. Wir sind jetzt, oh, lassen Sie mich überlegen, seit zwei Jahren zusammen, mindestens zwei.« Sie legte eine Pause ein. Als sie wieder sprach, tat sie es mit leiser Stimme und in einem fast verschwörerischen Tonfall. »Harold hat gesehen, wie das mit Felicity passiert ist – na ja, beinahe.«
    »Sie kommen besser herein«, sagte Dill.
    »Sicher ist es drinnen ein bißchen kühler als hier draußen, oder?«

12
    Cindy McCabe kam herein und setzte sich in den Sessel, der zu der grünen Couch paßte. Sie schob ihre Unterlippe vor und prustete, als wollte sie den schwachen Schweißfilm wegblasen, der sich auf ihrer Stirn und Oberlippe gebildet hatte. »Ist das eine Hitze«, sagte sie und wartete offenbar nicht, daß er

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