Schutzwall
vor diesem Riesenkerl ein bißchen Angst – und er war echt riesig. Natürlich war ja Felicity auch nicht gerade klein – mindestens eins fünfundsiebzig groß, aber ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie sie und dieser große Kerl jemals – na ja, Sie wissen schon.«
Ihr Gesichtsausdruck wurde etwas verträumt, und Dill fragte sich, wie oft sie sich wohl ihren Phantasien über diesen Riesenkerl hingegeben hatte.
»Und was war dann?« fragte Dill.
»Oh, am nächsten Morgen bin ich dann zu ihr hoch und sagte ihr, daß Harold durch den Lärm die ganze Nacht wach gelegen hätte, was eigentlich eine Lüge war, weil er glatt durchgeschlafen hat. Weil ich es gewesen bin, die die ganze Zeit wach gelegen hat. Sie war mächtig nett, aber das war sie ja eigentlich immer, sogar dann, wenn Harold die Schecks für die Miete verbummelt hatte – rhups, ’tschuldigung, das muß am Bourbon liegen.« Sie kicherte. Dill lächelte.
»Der Riesenkerl ist aber nicht wiedergekommen?« fragte er.
»Nee, nie. Felicity meinte, das würde aufhören, und das tat’s dann ja auch. Danach nicht das leiseste Geräusch, kaum daß sie ihren Fernseher mal eingeschaltet hat, nicht mal morgens, um Good Morning, America zu sehen, ’ne Sendung, die ich mir immer anschaue. Manchmal hat sie die Abendnachrichten angemacht, aber nie sehr laut.«
»Ist Captain Colder oft hiergewesen?« sagte Dill.
»Wer?«
»Captain Colder, Gene Colder.«
»Oh, der, gestern war er da. Er stellte mir und Harold Fragen und tat irgendwie so, als hätten wir ihn nie vorher gesehen.«
»Aber das hatten Sie?«
»Oh, na klar, er kam oft vorbei und holte Felicity ab, so ungefähr ein-, zweimal die Woche.«
»Hat er sie immer nach Hause gebracht?«
»Ja, manchmal, aber hin und wieder ist sie auch überhaupt nicht nach Hause gekommen.«
Dill hatte den Eindruck, daß der Blick, den sie ihm über den Rand des Glases zuwarf, schmachtend auf ihn wirken sollte, statt dessen war er leicht benebelt. Ihm ging auf, daß sie leicht betrunken war.
»Sie sagen, daß sie manchmal überhaupt nicht nach Hause gekommen ist, nachdem sie mit Colder ausgewesen war?« fragte er.
»Macht Ihnen das was aus?«
»Nein.«
»Ich meine, wenn es sich um zwei erwachsene Leute handelt und so weiter, dann ist das doch nur natürlich, oder?«
»Stimmt.«
»Nehmen wir doch zum Beispiel mal Sie und mich.«
»Okay.«
»Wie okay?«
»Okay, nehmen wir mal uns beide.«
»Na ja, also, wenn Sie und ich ganz plötzlich scharf aufeinander sind und beschließen, daß wir das nicht einfach so im Raum stehen lassen – wen juckt das schon?«
»Harold?«
»Dem wäre das Wurscht. Er war mächtig scharf auf Felicity, aber er ist nie weit damit gekommen. Also wirklich, mir wäre das egal gewesen. Wenn sie bei uns anklopfte, ist er immer mit seinen Jockeyshorts und einem halben Ständer zur Tür gegangen. Darum hat er auch, glaube ich, manchmal die Miete zu spät bezahlt. Dann konnte er Felicity die Tür aufmachen, in seinen Jockeyshorts, mit seinem halben Ständer.«
»Hört sich an, als sei Harold ein echter Draufgänger.«
»Er ist genau das, was man erwartet. Gibt’s noch Bourbon?« Sie schwenkte auffordernd ihr Glas, und Dill hatte den Eindruck, daß sie betrunkener war, als er geglaubt hatte.
»Klar«, sagte er, stand auf, nahm ihr das Glas ab und ging zurück in die Küche, wo er ihr den nächsten Drink mixte, während er sein eigenes Glas mit dem Rest Perrier auffüllte. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, waren die Träger ganz heruntergerutscht. Dill reichte ihr das Glas, lächelte und sagte: »Sieht aus, als wäre es so viel kühler.«
»Wie finden Sie die?« fragte sie, legte die Hand über ihre linke Brust und schob sie heraus.
»Niedlich.«
»Bloß niedlich?«
»Ausgesprochen niedlich.«
»Das ist so was ähnliches wie ein Annäherungsversuch.«
»Ich weiß.«
»Na und?«
»Na ja, ist wirklich ein Jammer, aber in der nächsten Viertelstunde muß ich in der Innenstadt sein.«
»Wirklich? Im Ernst?«
Dill nickte bedauernd.
Cindy McCabe goß ein Drittel von ihrem neuen Drink in sich hinein. Als sie das Glas absetzte, war ihr Blick noch immer verschwommen, und ihre Augen schielten sogar leicht. Sie starrte Dill an. »Soll ich Ihnen mal was sagen?« fragte sie.
»Was denn?«
»Ich hab’s einmal auch mit Felicity versucht, ich meine, ich wollte sie verführen – draußen im Hinterhof.«
»Was ist passiert?«
Cindy McCabe lachte, es war ein kurzes, abgerissenes Lachen,
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