Schutzwall
gemeiner als heute nachmittag zu Harold?«
Wieder nickte Dill.
»Das muß ich sehen.«
»Ich brauche deine eiskalte Unterstützung.«
»Als eiskalten, zugeknöpften Rechtsbeistand?«
»Stimmt. Und ganz gleich, was ich sage, laß dir keine Überraschung anmerken.«
»Okay.« Sie nippte an ihrem Wein und musterte ihn neugierig. »Wo hast du gelernt, solche Sachen zu machen?«
»Welche denn?«
Bevor Anna Maude darauf erwidern konnte, kehrte Levides zum schmalen Ende der Bar zurück. »Harry sagt, daß er Sie in etwa fünf Minuten am Nebentisch von Chuckles unterbringen kann, okay?«
»Sehr schön.«
»Er möchte wissen, was Sie essen wollen.«
Dill sah Anna Maude Singe an und fragte: »Filet, gebackene Kartoffeln und Salat?«
Sie nickte. »Meins bitte halb roh.«
»Und das andere halb durchgebraten.«
Levides nickte und verschwand wieder. Anna Maude Singe wiederholte, zu Dill gewandt, noch einmal ihre Frage: »Wo hast du das bloß gelernt, was du heute nachmittag mit Harold gemacht hast?«
»Ich weiß nicht«, sagte Dill, »ich glaube, ich bin schon immer so gewesen.«
»Aber es ist nur gespielt, nicht wahr?«
»Sicher«, sagte Dill, »ist bloß gespielt.« Und er fragte sich, ob das wirklich stimmte.
25
Der alte Mann hatte sein vergilbtes rohseidenes Hemd mit seinem Chili-Mac bekleckert. Er war gerade dabei, mit einer Serviette daran herumzuwischen, die er in sein Wasserglas getaucht hatte, als Dill und Anna Maude sich neben ihn setzten. Laffter blickte zu ihnen auf und rieb dann weiter auf dem Chilifleck herum. Die gepolsterte Sitzbank, die an der Wand stand, endete in der Ecke, in der der Alte saß. Auch Anna Maude hatte sich auf die Bank gesetzt, während Dill ihr gegenüber am Tisch auf einem Stuhl saß. Ohne zu Dill aufzusehen, sagte der alte Mann: »Hat Ihnen meine Geschichte gefallen?«
»Ich glaube, ich habe dreizehnmal den Gebrauch des Wortes ›angeblich‹ gezählt.«
»Ich hab’s nur viermal verwendet, aber irgendein Scheißer hat es dann bei der Korrektur noch ein fünftes Mal eingefügt.« Jetzt blickte er hoch. »Was führen Sie im Schilde?«
»Möchten Sie einen Drink?«
»Wenn Sie bezahlen, klar.« Er nickte zu Anna Maude Singe hinüber. »Wer ist die denn?«
»Meine Anwältin«, sagte Dill. »Miss Singe, das hier ist Mr. Laffter, der von einigen Chuckles { * } genannt wird.«
Anna Maude wandte den Kopf und nickte Laffter kühl zu. »Kichern Sie denn so viel, Mr. Laffter?«
»So gut wie nie«, sagte der alte Mann.
An Dills Tisch tauchte Harry der Kellner mit Servietten und Silberbesteck auf. Während er sie vor ihnen auslegte, fragte er Dill und Anna Maude, ob sie die nächsten Drinks bestellen wollten. Dill sagte ihm, daß sie noch ein Weilchen bei denen bleiben wollten, die sie sich von der Bar mitgebracht hatten, fügte jedoch hinzu: »Sie können Chuckles einen Drink bringen.«
»Der alte Bock hat genug«, sagte Harry der Kellner.
»Ich möchte Cognac, mein rabenschwarzer Freund«, sagte Laffter, »einen doppelten.«
Harry der Kellner schaute prüfend zu ihm herunter.
»Ein paar Brocken aufs Hemd gekleckert, wie? Na, ja, macht gar nichts, du trägst es ja erst seit vier Tagen. Du könntest noch gut und gern zwei Tage rausschinden, wenn du dir nicht das Zeug da raufgeschüttet hättest.«
»Zieh Leine und hol den Drink, Kellner«, sagte der Alte, und seine Stimme war so laut, daß sich einige Köpfe nach ihnen umdrehten.
»Ich laß mir gerade durch den Kopf gehen, ob ich dir nicht hier und jetzt Lokalverbot erteile«, sagte Harry der Kellner.
Der alte Mann schaute blinzelnd zu ihm hoch. »Durch den Kopf? Du?« In gutgespielter Fassungslosigkeit schüttelte er den Kopf.
»Ein alter, runtergekommener Reporter«, sagte Harry der Kellner und schnalzte dabei mitfühlend. »Es gibt nichts Traurigeres. Verbraucht. Ausgebrannt. War immer schon so. Meistens angesoffen und halb weggetreten.« Er wandte sich zu Dill. »Wollen Sie diesem blöden alten Knacker wirklich einen Drink kaufen?«
»Doch, doch gewiß«, sagte Dill.
Harry der Kellner schüttelte verständnislos den Kopf und machte kehrt. Während er davonging, sagte der alte Mann, wie um Nachsicht bittend, mit lauter Stimme:
»Man muß das verstehen, ihm fehlt der Urwald.« Schamlos grinste er Dill zu. »Was glauben Sie wohl, was Sie sich mit einem doppelten Cognac kaufen können?«
»Ich will herausfinden, wer so dringend daran interessiert gewesen ist, die Geschichte über meine Schwester gedruckt zu sehen.«
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