Schwaben-Gier
gestern Abend aufgehalten hat.«
Hermann Kindler nickte, deutete auf seinen Mitarbeiter. »Herbert, bring die Herrschafte hoch.« Er zeigte nach oben, begab sich in den Produktionsraum zurück, machte sich an den Armaturen eines gewaltigen Bottichs zu schaffen. Luithardt folgte ihm, die Kommissare hinter sich, bog dann in ein offenes Treppenhaus ab, das einen Stock höher führte. Der Boden war mit weißen Fliesen ausgelegt, er glänzte überraschend sauber, wie frisch gereinigt. Der Duft feiner Kräuter lag in der Luft, irgendwo zischte ein Ventil.
Luithardt wartete, bis die beiden Besucher ihn erreicht hatten, sah die fragende Miene Braigs. »Kräuternudle«, erklärte er, wies in den Produktionsraum zurück, »heut sind Kräuternudle an der Reih’, deswege riecht’s so gut.«
»Sie benutzen echte Kräuter?«
»Was glaubet denn Sie? Direkt vom Gärtner in Schwäbisch Gmünd.«
Sie folgten den Stufen nach oben, kamen in ein kleines, zweckmäßig eingerichtetes Büro, das über einen großen Schreibtisch samt Computer und Bildschirm sowie zwei breite Aktenregale verfügte.
»Hier, das isch das Reich unserer Chefin. I hoff, Sie findet sich zurecht.« Luithardts Blick war schon wieder zur Tür gerichtet. »Wenn Sie Frage hent, die Monika …« Er setzte voraus, dass sie seine Anregung verstanden, verließ das Zimmer.
Neundorf eilte zum Computer, schaltete ihn ein. »Das Passwort«, sagte sie, »hast du eine Idee?«
Braig suchte die Schreibtischplatte ab, fand einen Stapel Rechnungen, blätterte sie durch. Sie enthielten ausnahmslos Lieferungen der Firma Teigwaren Kindler und stammten aus dem vergangenen Dezember. »Versuche es mit dem Vornamen ihres Sohnes. Manuel, glaube ich.«
»Schon probiert. Fehlanzeige.«
Er griff nach einer durchsichtigen Kladde, sah, dass sie vorgefertigte Formulare zum Bestellen der verschiedenen Nudel-Angebote enthielt.
»Ich bin drin«, sagte Neundorf. »Einfacher geht’s nicht.«
»Wie heißt es?«
»Marianne.«
»Dann wirst du wohl kaum auf geheimnisvolle Inhalte stoßen.« Er hörte das Klicken der Maustaste, bückte sich nieder, öffnete die Schubladen, eine nach der anderen. Formulare, leere Papiere, Prospekte der Firma, Schreibzeug, Disketten. Er legte die Disketten auf die Schreibtischplatte, machte sich an den Regalen an der Wand zu schaffen. »Ich kann keinen Terminplaner finden«, sagte er.
»Tut mir Leid, hier ist auch nichts, was uns interessiert.«
Er hörte, wie sie nach Disketten griff, sie in den Rechner steckte. »Kalkulationen«, erklärte sie, »und die Auflistung der Angebote verschiedener Hühnerfarmen oder Bauern. Bringt uns das weiter?«
»Abwarten.« Braig nahm sich einen Aktenordner nach dem anderen vor, hatte plötzlich zwei Terminkalender in der Hand. Überrascht zog er sie aus der grünen Kunststoffumhüllung, legte sie auf den Schreibtisch, schlug beide auf. »2003 und 2004. Die Kalender der beiden vergangenen Jahre.«
»Und? Kannst du etwas damit anfangen?«
Er blätterte den Terminplaner des Vorjahres durch, pfiff überrascht. »Eine sehr akkurate Frau. Dem ersten Eindruck nach jedenfalls.«
»Sie hat genau vermerkt, wo sie war?«
»Es sieht so aus, oder?« Braig schob den Kalender neben die Tastatur, wies auf die handschriftlichen Einträge der jeweiligen Tage. »Hier zum Beispiel der 2. Dezember. Um fünfzehn Uhr war sie im Stern in Auenwald, um 15.30 Uhr im Rössle in Baach, um 16.30 Uhr in den Urban-Stuben in S, was wohl für Stuttgart steht.« Er machte eine kurze Pause, las dann weiter, listete für diesen Tag insgesamt zehn Termine auf, alle in verschiedenen Gaststätten irgendwo in Stuttgart. Einen Tag später ein ähnliches Programm, diesmal in Rt und Tü, was Braig als Reutlingen und Tübingen identifizierte, am späten Abend, um 21.30 Uhr noch ein Besuch im Einhorn in Esslingen.
»Wir benötigen den Kalender von diesem Jahr«, sagte Neundorf, »dann können wir ihren Weg genau verfolgen.«
»Wahrscheinlich hat der Mörder ihn verschwinden lassen.«
»Es muss nicht unbedingt jemand sein, der darin verzeichnet ist.«
»Aber vielleicht ein Kerl, mit dem sie in einem der Lokale, die sie besuchte, zusammentraf.«
»Vielleicht liegt der Kalender in ihrem Auto. Wissen wir, wo es steht?«
Braig schaute seine Kollegin betroffen an. »Keine Ahnung. Wir haben nicht einmal den Typ und das Kennzeichen.«
»Höchste Zeit, das nachzuholen. Ich kümmere mich darum.« Sie deutete nach unten, lief zum Treppenhaus.
Braig blätterte den
Weitere Kostenlose Bücher