Schwaben-Gier
dahinter. »Sie haben es sehr schön!«, erklärte Braig voller Bewunderung, merkte erst am völlig aufgelösten Gesichtsausdruck der Frau, wie deplaziert seine Worte waren.
Monika Heller achtete nicht auf das, was er sagte, hatte nur ein Anliegen. »Was ist mit Marianne?«
Braig schaute zu dem blauen Sofa an der Wand, sah das kleine Mädchen, das dort mit zwei jungen Katzen spielte. »Sie ist heute Nacht …«
»Doch nicht tot?«, rief die Frau mit schriller Stimme.
Er hatte Schwierigkeiten, die Wahrheit zu formulieren. »Es tut mir sehr Leid, aber ja, sie ist tot.«
Sie starrte ihn kopfschüttelnd an, Tränen schossen aus ihren Augen. Der kleine Junge hatte sie wieder erreicht, klammerte sich erneut an ihr fest. »Mama, wehweh«, jammerte er.
Monika Heller riss sich von dem Kind los, ließ sich auf das Sofa fallen, wischte sich dann mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. »Was ist passiert?«
»Sind Sie mit ihr befreundet?«, fragte Neundorf.
Die Frau wies auf den Zweisitzer an der Längswand. »Nehmen Sie doch Platz.«
Braig und Neundorf folgten ihrer Aufforderung, warteten auf ihre Antwort. »Marianne ist wie eine Mutter zu mir. Vor allem seit Ralf …« Sie verstummte, zeigte auf die Kinder. Der Junge war ihr gefolgt, krabbelte zu ihr aufs Sofa. »Mein Mann ist weg …«, fuhr sie dann fort, »vor zwei Jahren.«
»Seit wann kennen Sie sich?«
»Ich arbeite seit über fünf Jahren für sie. Für Marianne und Hermann. Im Verkauf.«
Braig nickte, deutete mit vorsichtig formulierten Worten an, was geschehen war.
»Ermordet? Sie wollen sagen, Marianne wurde absichtlich getötet?«, fragte die Frau. Ihre Miene brachte unübersehbar zum Ausdruck, für wie absurd sie seine Ausführungen hielt. »Wer soll Marianne, ich meine, wer soll sie denn umbringen wollen? Wer und warum?«
Braig schwieg, ließ sie langsam zur Ruhe kommen. Er lehnte sich zurück, spürte plötzlich eine flüchtige Berührung an seinem Hals. Er sah, wie der kleine Junge und das Mädchen zu ihm her starrten und plötzlich laut lachten. Im gleichen Moment plumpste eine der kleinen Katzen auf seinen Bauch. Er nahm sie in seine Hände, streichelte sie. Das Tier miaute leise, schleckte seine Finger ab.
»Marianne doch nicht, wieso denn?«, jammerte die Frau.
»Wir dachten, Sie könnten uns helfen«, murmelte Neundorf, »uns einen Hinweis geben, eine Vermutung …«
»Aber Marianne doch nicht!«, wiederholte Monika Heller. Sie hatte ihren Sohn zu sich auf den Schoß gezogen, ließ das Kind mit ihrem Sweatshirt spielen.
»Frau Kindler war gestern unterwegs«, versuchte es Braig. »Sie besuchte verschiedene Lokale, um ihre Nudeln zu verkaufen. Ich denke, Sie wissen darüber Bescheid.« Er streichelte die Katze mit der Rechten, ließ sie seinen linken Arm hoch kraxeln, sah das vorsichtige Nicken seiner Gesprächspartnerin. »Vielleicht können Sie uns sagen, in welchen Gaststätten sie war.«
»Gestern?«
»Am Montag, ja. Leider hat sie keine schriftlichen Aufzeichnungen im Büro hinterlassen, aus denen wir das ersehen könnten.«
Monika Heller wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht, versuchte die Spuren der Tränen zu beseitigen. »Sie müssen in ihrem Terminkalender nachschauen. Da hat sie alles notiert.«
»Wir haben ihn nicht gefunden.«
»In ihrem Büro und im Auto?«
»Das Auto ist weg.«
»Wie, weg?«
»Wir wissen es nicht. Es ist verschwunden.«
»Aber wer soll es an sich genommen haben? Der, der sie …« Sie ließ den Rest des Satzes unausgesprochen.
Braig und Neundorf hatten dennoch verstanden, was sie sagen wollte. »Soweit sind wir noch nicht. Wir haben keine Ahnung. War es ein neuer Wagen?«
Zum ersten Mal, seit sie der Frau die schlimme Botschaft verkündet hatten, tauchte ein Anflug von Heiterkeit in ihrer Miene auf. »Neu?« Sie winkte mit der Rechten ab. »Wir wundern uns jeden Tag, dass er immer noch funktioniert. Ein uralter Karren. Baujahr …« Sie zögerte, überlegte. »Ich weiß es nicht. Steinalt jedenfalls.«
»Warum kaufte sie kein neues Modell?« Die Katze hatte Braigs Schulter erreicht, schleckte sein Ohr ab. Er zuckte zusammen, weil es kitzelte, sah die lachenden Mienen der Kinder.
»Sie hatte es vor, schon lange. Aber um die Firma steht es nicht besonders. Letztes Jahr hatten wir mehrere Reparaturen. Eigentlich müsste einer von uns gehen. Herbert oder Hans, die Produktion lässt sich auch zu zweit erledigen. Und Hermann, also Herr Kindler, steht jeden Tag von früh bis spät an
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