Schwaben-Hass
mehrere überprüft, fanden keinen Hinweis. Glaubst du wirklich, der hatte das noch nötig? Allein die Zinsen aus seinem Vermögen betragen zur Zeit 70.000 DM pro Jahr. Mir würde es reichen.«
Braig fühlte, dass Söhnles Argumente stichhaltig klangen, bedankte sich für den Anruf, überlegte, was die neue Erkenntnis für ihre Ermittlungen bedeutete.
Breidles großzügiger Lebensstil basierte offensichtlich auf der Existenz einer großzügigen, aber wie es schien, legalen Erbschaft. War das der Grund, warum der Journalist in Unterweltskreisen bisher – trotz seiner Recherchen, die sie in seinem Bett entdeckt hatten, – nicht erwähnt worden war?
Breidle hatte das Schicksal mehrerer junger Frauen aus Bulgarien und der Ukraine eruiert, so viel bewiesen die Unterlagen, auf die sie in Esslingen gestoßen waren. Niemand innerhalb der betroffenen Szene schien, das besagten jedenfalls ihre Razzien, davon zu wissen. Konnte es sein, dass er bisher – mit Ausnahme der betroffenen Frauen – mit niemand darüber gesprochen hatte?
Braig wischte mit dem Handrücken über die Stirn, spürte, wie seine Gedanken Karussell fuhren. Warum sollte jemand den Journalisten getötet haben, wenn niemand von seinen Recherchen wusste?
Katrin Neundorf stand in der Tür, räusperte sich laut.
Braig fuhr zusammen, betrachtete seine Kollegin.
»Du bist am Überlegen.«
Er winkte missmutig ab, lief zum Waschbecken, klatschte sich kaltes Wasser ins Gesicht. »Langsam wächst mir die Sache über den Kopf. Ich weiß nicht, ob es wirklich die Menschenhändler sind, die hinter der ganzen Sache stecken.«
»Dann ist es gut, dass ich jetzt wieder dabei bin«, erklärte sie. »Ich habe die drei Zeugen befragt, die von der jungen Frau in der Stuttgarter City um Hilfe gebeten wurden, ob sie die in der tageszeitung abgebildeten Typen erkennen.«
»Und? Was hast Du herausgefunden?«
Neundorf nickte. »Sie sind es. Eindeutig. Die Männer erinnerten sich vor allem an den Kerl mit dem Bart, identifizierten ihn sofort. Ohne Zweifel.«
»Das bedeutet?«
Neundorf wies auf die tageszeitung, die sie in der Hand hielt. »Ich habe mit der Redaktion telefoniert. Sie behaupten, diese Frau König würde völlig zu Unrecht von uns verdächtigt, wir sollten die Fahndung sofort aussetzen, damit sie endlich bei unseren Kollegen um Hilfe nachsuchen könne.«
»Und? Was meinst du?«
»Ich fürchte, die haben Recht. Die genaue Beschreibung der Verfolger durch die Frau scheint mir deutlich genug.«
»Wieso fanden wir dann Spuren der ermordeten Litsche auf ihrem Fahrzeug?«
Neundorf streckte ihre Hände nach beiden Seiten, zuckte mit der Schulter. »Frau König behauptet, es sei Manipulation. Wer sagt, dass sie ihr Auto selber fuhr?«
»Wo ist der Beweis für die Manipulation?«
»Ich weiß es nicht«, erklärte Neundorf, »keine Ahnung. Die ganze Angelegenheit scheint mir sehr verworren.«
»Mir geht es nicht anders.« Braig wischte sich das Gesicht trocken, trank ein Glas Wasser. »Und ich weiß bald auch keinen Weg mehr, Klarheit zu kriegen.«
»Du warst schon bei dieser Frau Breidle?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich will jetzt zu ihr. Vielleicht stoße ich doch noch auf eine Verbindung zu den Menschenhändlern, die wir bisher nicht kennen.«
»Dann will ich dich nicht länger aufhalten.« Sie klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken, verließ sein Büro.
Braig ging zum Telefon, läutete bei Frau Breidle an, fragte, ob er kurz vorbeikommen könne. Widerstrebend willigte sie ein.
Er lief zur Nürnberger Straße, nahm die S-Bahn nach Schorndorf. Den kurzen Weg durch die schmalen Gassen der Fußgängerzone kannte er noch vom vorherigen Mittwoch.
Er läutete bei Möck, stieg die Treppe ins erste Obergeschoss hoch.
Die Frau an der Tür war ihm unbekannt. »Frau Möck?« Er stellte sich vor, sah ihr Kopfnicken.
»Meine Schwester lässt sich entschuldigen. Sie liegt im Bett.«
Braig merkte, dass die Frau keine Anstalten unternahm, ihn in die Wohnung zu bitten, blieb hartnäckig. »Aber sie ist ansprechbar?«
Luise Möck verzog keine Miene. »Sie braucht Ruhe.«
»Es dauert nicht lange. In zehn Minuten bin ich wieder unterwegs.«
Widerstrebend gab die Frau die Tür zur Wohnung frei. Er legte seine Jacke ab, ließ sich zum Gästezimmer führen, in dem Ilka Breidle unter einer flauschigen Decke im Bett ruhte. Ihr Gesicht war dunkelrot angelaufen, Schweißperlen liefen ihr über die Stirn und von den Schläfen.
»Ich will nicht lange stören«, sagte
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